Nürnberg, Zirndorf (epd)Darunter waren zwei Wachmänner der Erstaufnahmeeinrichtung Zirndorf und einen Arzt. (AZ 15 NS 955 Js 160683/13)
In dem Prozess ging es um die Vorgänge in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Zirndorf vom Dezember 2011, als der eineinhalbjährige Leonardo an einer schweren bakteriellen Erkrankung beinahe gestorben wäre. Dem Arzt, der das Kind am Abend zuvor untersucht hatte, war vorgeworfen, er habe dies nur oberflächlich getan und nicht einmal Fieber gemessen. Die Wachleute waren beschuldigt worden, den Eltern keinen Notarzt oder nicht einmal ein Taxi gerufen zu haben, so dass sie zu Fuß den zwei Kilometer weiten Weg zur Kinderärztin gehen mussten.
Der Staatsanwalt hatte für alle drei Angeklagten Geldstrafen wegen fahrlässiger Körperverletzung gefordert, ebenso hatte der Vertreter der Nebenklage eine Verurteilung verlangt. Der Staatsanwalt sagte, man habe zwar nicht davon ausgehen können, dass der Arzt die schwere durch Meningokokken ausgelöste Sepsis erkennt. Dennoch sahen er und der Nebenklagevertreter einen "Pflichtenverstoß". Der Arzt hätte wissen müssen, dass Leonardos Eltern in der Erstaufnahmeeinrichtung ihr krankes Kind nicht so überwachen konnten, wie das in anderen Familie möglich ist, "wo ein Telefon auf dem Nachtkästchen steht".
Geschehnisse wohl dramatisiert
"Meine Herren, Sie hätten da nicht wegschauen dürfen", so der Nebenklage-Anwalt. Man habe es in Kauf genommen, "dass ein krankes Kind noch kränker wird." Die Eltern hätten von den beiden Wachleuten Hilfe gewollt und nicht erhalten.
Im Nachhinein habe der Vater die Geschehnisse wohl dramatisiert, erklärte der Richter in seiner Urteilsbegründung. Dass die Umstände um Leonardos Erkrankung so dramatisch waren, sei den Eltern ja erst später klar geworden. Die behandelnde Kinderärztin hatte Mutter und Vater bereits auf einen möglichen Tod von Leonardo vorbereitet. Das durch Meningokokken ausgelöste Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom, unter dem der Junge litt, entwickle sich sehr schnell und sei schwer beherrschbar sei, hatten Mediziner in dem Verfahren ausgesagt. Es verlaufe in 90 Prozent der Fälle tödlich.
Die Wachhabenden seien das "kleinste Rad im Getriebe" gewesen, erklärte der Richter im Urteil. Sie hätten wohl die Krankheit des Kindes nicht erkennen können. Etwas Verständnis für die Rolle der Wachhabenden hatte zuvor auch der Nebenklagevertreter geäußert. Sie täten ihm leid, sagte er, weil sie die schlechte Organisation in der Einrichtung ausbaden müssten.
Chaotische Verhältnisse in Zirndorf
Im Berufungsverfahren wurde erneut deutlich, dass in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Zirndorf bei den Zuständigkeiten bei Krankheitsfällen und der Erteilung von Krankenscheinen chaotische Verhältnisse geherrscht haben müssen. Der Nebenklagevertreter sagte: "Hier müsste die Ministerin oder der Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung sitzen, denn die Organisation war inakzeptabel." Für Verwunderung sorgte auch, dass die zum Prozesstag geladene Zeuginnen, die laut Belegungsplan mit Leonardos Mutter im Zimmer gewohnt haben sollten, die Familie gar nicht kannten. Offensichtlich waren die Zimmereinteilungen nicht korrekt in den Unterlagen niedergelegt.
In der ersten Instanz waren die beiden Wachmänner wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt worden und legten Berufung ein. Der Arzt war bereits in der Vorinstanz freigesprochen worden. Hier legte der Staatsanwalt Berufung ein. Das Verfahren gegen eine Verwaltungsangestellte ist abgetrennt worden, weil die Frau verhandlungsunfähig war.
Junge hat überlebt
Der Bayerische Flüchtlingsrat hatte nach den dramatischen Vorfällen Ende 2011 den Fall bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Eineinhalb Stunden Zeitverlust bei der Versorgung des Buben hätten zu dessen Tod führen können. Leonardo überlebte, ist aber nach 25 Hauttransplantationen schwer gezeichnet.