Mit «Buddys» Hilfe in ein Leben mit HIV starten

Mit «Buddys» Hilfe in ein Leben mit HIV starten
Die Deutsche Aids-Hilfe geht mit dem Projekt «Sprungbrett» neue Wege

Wuppertal, Aachen (epd)Fuad Bruhn ist erst 20 Jahre alt, als er von seiner HIV-Infektion erfährt. "Ich hatte gerade mit dem Studium angefangen. Ich dachte: 'Das war's dann. Dein Leben ist schon wieder vorbei.'" Nach einem Gespräch mit seinem Arzt war er sich sicher, dass er nur noch etwa zehn Jahre zu leben hat. Heute ist Bruhn 39 Jahre alt - und sieht blendend aus. Er muss zwar täglich Medikamente einnehmen, aber er hat gelernt, mit seiner Infektion zu leben. Auf Leute wie ihn setzt das Projekt "Sprungbrett": Erfahrene "Langzeitpositive", die Neuinfizierten helfend zur Seite stehen.

Infizierte helfen Infizierten

"Das Gefühl zu haben, dass das, was dir bevorsteht, ganz furchtbar ist, und dass du damit ganz allein dastehst, das war schrecklich", blickt er zurück. Heute nimmt als sogenannter "Buddy", was auf deutsch etwa Kumpel bedeutet, am Projekt "Sprungbrett" teil, das von der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) koordiniert wird.

Auf der Website www.sprungbrett.hiv können sich Menschen mit HIV einen von bislang 25 Buddys aussuchen, die sich auf der Webseite kurz vorstellen und dann per E-Mail kontaktiert werden können. "Nach der Kontaktaufnahme treffen sich die beiden dann an einem öffentlichen Ort, etwa in einem Café oder zu einem Spaziergang im Park", erläutert Projektleiterin Heike Gronski.

Mit HIV diagnostiziert zu werden, sei für die meisten Menschen noch immer ein großer Schock, sagt Gronski, die hauptamtlich für die DAH arbeitet. Einen ersten Ansprechpartner zu haben, sei daher sehr wichtig. "Wir wollen eine Lücke schließen zwischen dem HIV-Test und dem Aufsuchen einer professionellen Beratungsstelle wie etwa den Aids-Hilfen vor Ort", sagt sie. Fuad Bruhn hätte sich einst auch einen solch kundigen Ansprechpartner gewünscht: "Wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, wäre ich sehr dankbar gewesen."

Die ersten Fragen klären

Das Interesse ist groß: "Seit dem Start der Kampagne am 1. April hatte ich schon Anfragen von zehn Personen", erzählt Bruhn, der sich seit Jahren in der Aids-Hilfe Nordrhein-Westfalen engagiert. Die Fragen, die ihm die Betroffenen stellen, ähneln sich: "Es geht um Dinge wie: Wem sage ich, dass ich schwul bin? Wem sage ich, dass ich infiziert bin? Was passiert, wenn ich mich beim Kochen schneide? Kann ich damit jemanden anstecken?"

Auch Alexandra Frings, Jahrgang 73, ist Buddy - eine von bislang drei Frauen. Die Aachenerin ist seit 13 Jahren HIV-positiv und hatte schon einen kleinen Sohn, als sie von ihrer Infektion erfuhr. "Mir hat die Ärztin damals gesagt: 'Sie haben noch zehn bis fünfzehn Jahre.' Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen." Seitdem hätten sich die Therapiemöglichkeiten glücklicherweise deutlich verbessert. Heute könne man ein fast ganz normales Leben führen. "Aber das wissen viele frisch Infizierte nicht. Sie haben noch die Bilder von Aidskranken aus den 80er Jahren im Kopf."

Suche nach ähnlichen Lebenswegen

Vor allem Heterosexuelle mit einer frischen Infektion seien oft schlecht informiert, weiß Frings, die in der Aids-Hilfe Aachen tätig ist. "Schwule Männer wissen besser Bescheid, weil HIV mehr zu ihrer Lebensrealität gehört." Sie ist selbst heterosexuell, was sie auch in der Kurzbiografie auf der Webseite angibt: "Die Personen, die mich bislang kontaktiert haben, sind auch alle hetero. Als Buddy sucht man sich jemanden heraus, der einen ähnlichen Lebensstil hat."

Alle Buddys sind ehrenamtlich dabei. An zwei Wochenenden sind sie von Referenten der Aids-Hilfe geschult und auch geprüft worden: "Nicht jeder, der gern Buddy wäre, wird es auch", sagt Gronski. Während der Schulung werden den Buddys Grundlagen der Kommunikation beigebracht. Gleichzeitig wird darauf geachtet, wie weit sie die eigene Infektion verarbeitet haben, ob ein grundsätzliches Wissen über HIV vorhanden ist und sie dieses auch vermitteln können. Das Projekt soll weiter ausgebaut werden: "Wir bieten dieses Jahr noch zwei weitere Schulungen und hoffen, dass wir bis Ende des Jahres auf insgesamt 50 Buddys kommen", sagt Gronski.

Alexandra Frings erfährt in ihren Kontakten ein sehr positives Feedback: "Sie sagen alle, dass ihnen die Gespräche unglaublich helfen. Offensichtlich ist die Hemmschwelle, einen Buddy übers Internet zu kontaktieren, deutlich niedriger, als sofort in eine Beratungsstelle zu gehen."