Berlin (epd)Der Bundestag hat am Donnerstag zahlreiche Änderungen im Asylrecht beschlossen. In namentlicher Abstimmung votierten 475 Abgeordnete für das Asylpaket der großen Koalition. 68 Parlamentarier stimmten dagegen, 57 enthielten sich. Das im Eilverfahren entstandene Gesetz soll dazu beitragen, Länder und Kommunen bei der Flüchtlingsaufnahme zu entlasten, auch indem abgelehnte Asylbewerber das Land schneller wieder verlassen. Aus der Opposition und von Organisationen kam Protest gegen zahlreiche Verschärfungen. Gleich vier Mitglieder der Bundesregierung verteidigten im Parlament die Änderungen.
Allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die in ihrer Regierungserklärung zum Europäischen Rat auch auf die nationalen Maßnahmen einging: Mit den Regelungen würden zum 1. November die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diejenigen, die aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen, das Land schneller als bislang verlassen. Schutzbedürftige erhielten schneller und effizienter Hilfe, sagte sie. Das Asylpaket soll am Freitag auch den Bundesrat passieren und bereits zu Beginn des nächsten Monats in Kraft treten.
Opposition: Regelung verfassungswidrig
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bezeichnete das Asylpaket als "größte und umfassendste Änderung des Asylrechts seit den 90er Jahren". Aus seinem Ministerium stammt der größte Teil der Änderungen. Sein Artikelgesetz sieht unter anderem vor, dass Flüchtlinge künftig länger in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben sollen, um sie gegebenenfalls direkt von dort nach Abschluss des Asylverfahrens wieder zurückzuschicken. Albanien, Montenegro und Kosovo werden als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, um diese Verfahren zu beschleunigen.
Am umstrittensten sind die vorgesehenen Einschränkungen bei den Sozialleistungen. Künftig sollen wieder vorrangig Sachleistungen statt Bargeld an Flüchtlinge in der Erstaufnahmeeinrichtung ausgegeben werden. Erstmals eingeführt wird eine finanzielle Sanktion, wenn abgelehnte Asylbewerber das Land nicht freiwillig verlassen. Sie sollen gar keine Sozialleistungen mehr erhalten.
Opposition, Flüchtlingsorganisationen und Wohlfahrtsverbände halten das für verfassungswidrig. Die Koalition gehe über ein entsprechendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts einfach hinweg, sagte Jan Korte (Linke). Seine Partei lehnte das Gesetzespaket ab. Die Grünen enthielten sich mehrheitlich bei der Abstimmung. Das Gesetz enthalte auch gute Instrumente, sagte der Parlamentarier Konstantin von Notz und verwies unter anderem auf die geplante finanzielle Entlastung von Ländern und Kommunen, die Öffnung von Integrationsangeboten sowie auf Änderungen im Baurecht, die die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften erleichtern sollen.
Weitere Maßnahmen angekündigt
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, man brauche pragmatische Lösungen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) warb vor dem Parlament für das ebenfalls beschlossene Gesetz, das Verbesserungen für minderjährige Flüchtlinge bringen soll. Darin wird unter anderem klargestellt, dass auch Flüchtlingen Angebote der Kinder- und Jugendhilfe offen stehen. Es dürfe keine Kinder erster und zweiter Klasse geben, sagte Schwesig.
Das Deutsche Kinderhilfswerk äußerte aber Zweifel. Bundesgeschäftsführer Holger Hofmann kritisierte, dass auch Kinder von den Verschärfungen des anderen Gesetzespakets betroffen seien. Auch sie müssten länger in der Erstaufnahme bleiben und mit Sozialleistungskürzungen rechnen.
Mehrere Redner der Koalition machten im Bundestag aber auch deutlich, dass das Gesetzespaket allein die derzeitige Flüchtlingssituation nicht verbessern werde. Merkel sagte, es würden weitere Maßnahmen folgen. Man rede momentan über die Umsetzung von zwei EU-Richtlinien - "inklusive auch der Option für ein Transitverfahren im Landgrenzenbereich". Die SPD lehnt dies bislang ab. Der SPD-Innenpolitiker Burkhard Lischka sagte, nationale Maßnahmen allein würden nicht helfen. Es werde eine gesamteuropäische Strategie auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen benötigt. "Die Flüchtlingswanderung können wir nicht mit einem Machtwort beenden", sagte Lischka.