Berlin (epd)Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Forderungen nach einer sofortigen Begrenzung der Flüchtlingszahlen eine Absage erteilt. "Es gibt den Aufnahmestopp nicht", sagte Merkel am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Anne Will". Es liege nicht in der Macht der Bundesregierung, wie viele Menschen kommen. Gleichzeitig sagte Merkel in der Talkshow, es müsse wieder zu geordneten und berechenbaren Verhältnissen bei der Flüchtlingsversorgung in Deutschland kommen.
Die Kanzlerin erläuterte im Interview mit Anne Will ihre Flüchtlingspolitik, die in den vergangenen Wochen viel Kritik vor allem aus den eigenen Reihen geerntet hatte. Besonders scharf kritisierte die CSU Merkels Entscheidungen, die von der bayerischen Schwesterpartei als Einladung nach Deutschland interpretiert worden waren.
Arbeiten bis an die Belastungsgrenze
Die einstündige Talkshow, die eine Stunde früher als üblich ausgestrahlt wurde, verfolgten laut ARD von 3,45 Millionen Fernsehzuschauer. Das entsprach einem Marktanteil von 13,8 Prozent.
Merkel sagte, sie wisse, dass in vielen Orten Menschen bis an die Belastungsgrenze arbeiteten, um dafür zu sorgen, die Flüchtlinge unterzubringen. Sie betonte auch, dass sie keine Politik der offenen Grenzen verfolge.
Gleichzeitig verwies sie aber auf die humanitäre Verpflichtung bei der Aufnahme Schutzsuchender. Sie wolle nicht in einen Wettbewerb eintreten, wer Flüchtlingen das unfreundlichste Gesicht zeige, sagte sie. Einen Aufnahmestopp stellte sie als unrealistisch dar. Der sei nur möglich, wenn man entlang der Grenze einen Zaun errichten würde. In Ungarn habe man gesehen, dass sich die Flüchtlinge dann andere Wege suchen.
"Keine falschen Versprechungen"
Die Regierungschefin sprach sich für einen stärkeren Schutz der EU-Außengrenzen aus, mahnte ihre Kritiker, die eine schnelle Begrenzung der Flüchtlingszahlen fordern, dabei aber zu Geduld. Die Ursachen für die Zahl der Flüchtlinge lägen weitgehend außerhalb des eigenen Landes, sagte Merkel. Um diese Ursachen zu bekämpfen, müsse die Situation in den Flüchtlingslagern in der Region um die Herkunftsländer verbessert werden. Zudem müsse mit der Türkei über Grenzschutz geredet werden. Das dauere länger, als sich manche wünschten.
Erneut wiederholte Merkel den Satz "Wir schaffen das". Die Herausforderung angesichts des Flüchtlingsandrangs sei die vielleicht schwierigste seit der Wiedervereinigung. Sie stelle sich dieser Aufgabe, wolle aber keine falschen Versprechungen machen, sagte die CDU-Parteichefin.
Vehement widersprach sie dem Eindruck, Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) entmachtet zu haben, indem die Flüchtlingspolitik nach einem Kabinettsbeschluss von Mittwoch nun stärker im Kanzleramt gebündelt werden soll. Auf die Frage, ob sie ihren Minister entlassen werde, sagte Merkel: "Natürlich nicht. Ich brauche ihn - dringender denn je."
Selfie nicht entscheidend
Auf die Frage, ob statt Selfies aus Flüchtlingsunterkünften andere Gesten der Kanzlerin notwendig seien, antwortete Merkel: "Glauben Sie denn, dass wirklich Hunderttausende Menschen ihre Heimat verlassen, weil es ein solches Selfie gibt, ein Risiko auf sich nehmen, im Schlauchboot fahren, mit Wissen, dass auch bei uns die Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr so komfortabel sind, wie das vielleicht manchmal behauptet wurde. Ich glaube das nicht."