Die erste Freie evangelische Gemeinde in Deutschland wurde 1854 von dem Kaufmann Hermann Heinrich Grafe (1818 -1869) zusammen mit fünf weiteren Männern in Elberfeld-Barmen, einem heutigen Stadtteil von Wuppertal, nach biblischen Kriterien gegründet. Grafe entwickelte den theologischen Zentralbegriff der "freien Gnade", frei im Sinne von "kostenfrei", ein Geschenk. Beeinflusst war er hierbei von Erfahrungen, die er in der von dem reformierten Pfarrer und Erweckungsprediger Adolphe Monod 1832 gegründeten "Freien evangelischen Gemeinde von Lyon" sammeln konnte. Ihm wurde in dieser Gemeinde die Bedeutung der freien Gnade Gottes als Mittelpunkt der christlichen Botschaft und als Ausgangspunkt für die Struktur einer Gemeinde der Glaubenden bewusst, die sich um das Abendmahl sammelt und sozial-missionarisch tätig ist. 1874 taten sich weitere Gemeinschaftskreise und freikirchliche Gruppen in der "Vereinigung der Freien Evangelischen Gemeinden und Abendmahlsgesellschaften" zusammen, die 1928 den heutigen Namen annahmen. Seit 1893 wird das Wort "frei" im Namen "Bund Freier evangelischer Gemeinden" groß geschrieben. Das Ziel war es, eine kirchliche Alternative zum Modell der damaligen Staatskirche zu entwickeln.
In Deutschland zählt der Bund Freier evangelischer Gemeinden zu den wachsenden Kirchen. Weltweit gibt es Freie evangelische Gemeinden in über 20 Ländern. Mit ihren etwa 30 Mitgliedsbünden zählt der Internationale Bund Freier evangelischer Gemeinden rund 450.000 Mitglieder. Zur Bundesgemeinschaft in Deutschland gehören 471 Gemeinden mit etwa 40.000 Mitgliedern. Hinzu kommen etwa dieselbe Zahl von Familienangehörigen und Freunden. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts zusammengefasst, finanzieren sich die Gemeinden über Spenden und verzichten auf die Möglichkeit, Kirchensteuern zu erheben. Präses des Bundes ist seit 2008 Ansgar Hörsting. Der BFeG hält gute Beziehungen zu anderen Kirchen und Gemeinden. Er ist Gastmitglied der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) sowie Teil der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF). In vielen Kommunen sind Freie evangelische Gemeinden auf der Ebene der Evangelischen Allianz aktiv.
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Wesentliche Merkmale der Freien evangelischen Gemeinden sind das Prinzip der Freiwilligkeitsgemeinde als Gemeinde der Glaubenden (Mitgliedschaft aufgrund einer persönlichen Glaubensentscheidung), die Mitverantwortung und Mitbestimmung aller ("allgemeines Priestertum") und die Taufe der Glaubenden (im Unterschied zur Kleinkindertaufe). Die Heilige Schrift gilt als oberste Norm für Lehre und Leben. Der Gemeinde kann nur zugehören, wer an Jesus Christus glaubt und der Vergebung seiner Sünden gewiss ist. Die Gemeinde versteht sich nach dem Vorbild des Neuen Testaments als eine Gemeinde von befreiten und begnadeten Menschen. Daraus folgt, dass die Gemeinde frei von jedem Kirchenregiment und staatlicher Vorherrschaft sein sollte.
Aufgrund des "Priestertums aller Gläubigen" lehnen die Gemeinden eine Unterscheidung zwischen "Geistlichen" und "Laien" ab. Den vollzeitlichen Pastorendienst versehen theologisch ausgebildete Prediger, jedoch ist auch "Laien" predigt möglich. Die Taufe wird an Gläubigen, die sich dafür entscheiden, durch Untertauchen vollzogen. Eine Säuglingstaufe ist damit ausgeschlossen. Säuglinge werden gesegnet und damit in der Gemeinde willkommen geheißen. Die Taufe aufgrund des persönlichen Glaubens stellt aber keine Bedingung für die Mitgliedschaft in der Gemeinde dar, was die Gemeinschaft vom Baptismus abgrenzt. Für den BFeG sind eine missionarisch ausgerichtete Predigt, eine lebendige Gemeindearbeit und diakonisches Handeln charakteristisch. Dem Verständnis als Bund selbstständiger ("independentistischer") Gemeinden entspricht die besondere Nähe zur Evangelischen Allianz, die ein ähnliches Selbstverständnis hat.
Das Abendmahl beziehungsweise "Mahl des Herrn" hat eine hohe Bedeutung und ist dem Verständnis nach Tischgemeinschaft der an Jesus Christus Glaubenden mit ihrem Herrn. Teilnehmen kann, wer Christus folgt. In der Regel wird es einmal im Monat nach dem Gottesdienst gefeiert. Eine feste Liturgie gibt es weder für die Gottesdienste noch für das Abendmahl. Der BFeG versteht sich als bibeltreu: Verbindliche Grundlage für Glauben, Lehre und Leben in der Gemeinde und Bund ist die Bibel, das Wort Gottes. Das apostolische Glaubensbekenntnis wird in den Gottesdiensten nicht häufig gesprochen, ist aber zentrales Glaubensgut in Freien evangelischen Gemeinden. Den BFeG eint mit allen Christen und Kirchen das Bekenntnis zu Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Der Bund ist überzeugt, dass Gott alle seine Kinder mit seinem Geist beschenke (Joh 7, 39; 1Kor 12, 13) und "dass der Schlüssel zur erneuernden und umgestaltenden Kraft des Geistes in einem Leben der Hingabe und des Gehorsams gegenüber Jesus Christus liegt" (1Kor 12, 11). Der Bund nimmt an, dass Gott allen Christen Gnadengaben gibt, um sie zum Dienst in Gemeinde, Mission oder Diakonie auszurüsten und befähigen. Auch ist der BFeG überzeugt, dass Gott Menschen begabt und beauftragt, für Kranke um Heilung zu beten. Der Bund distanziert sich aber von einer Theologie, die behauptet, dass Gott jeden Menschen heile, wenn er nur richtig glaube.
Und was sagt der BFeG zu Frauen in Leitungs- und Predigtämtern, zur Ehescheidung und zur gleichgeschlechtlichen Liebe? Am 18. September 2010 beschloss der "Bundestag" der Gemeinschaft, die Vertreterversammlung aller Gemeinden und Pastoren, mit einer zustimmenden Mehrheit von 76,3 Prozent, den Ortsgemeinden die Anstellung von entsprechend qualifizierten Frauen als Pastorinnen freizustellen. 2008 war die notwendige Zweitdrittelmehrheit noch knapp verfehlt worden. Eine Ehe-Ethik des BFeG, die dem Evangelium entspricht, geht von dem grundsätzlichen "Nein" zur Ehescheidung im Neuen Testament aus. Daraus ergibt sich nun die seelsorgerische Aufgabe, durch Beratung der Ehepartner, wenn irgend möglich, die Ehegemeinschaft zu erhalten und zu heilen. 2004 veröffentlichte die Bundesleitung eine Stellungnahme zum Thema "Homosexualität im Spannungsfeld von Gesellschaft und Gemeinde". Darin heißt es, es sei für homosexuell empfindende Christen ebenso unangemessen, an homosexuellem Verhalten festzuhalten, wie es für heterosexuell empfindende Christen unangemessen sei, an Unzucht oder Ehebruch festzuhalten.