Brüssel, Berlin (epd)Die Flüchtlingskrise wird in der kommenden Woche erneut Europas Staatenlenker beschäftigen: Die 28 Staats- und Regierungschefs der EU kommen am Mittwochabend in Brüssel zu einem Sondergipfel zusammen. Das teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag mit. Auf die Einberufung des Sonderrates hatten unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann gedrängt. Nach Angaben der Kanzlerin vom vergangenen Dienstag soll es auf dem Treffen unter anderem um Hilfen für die Herkunfts- und Durchreiseländer der Flüchtlinge gehen.
Die umstrittene Frage eines europäischen Verteilschlüssels für Flüchtlinge soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung hingegen keine prominente Rolle spielen. Mit diesem Thema beschäftigen sich bereits die Innenminister der EU-Staaten, die am Dienstagnachmittag in Brüssel zusammenkommen. Merkel will allerdings auf dem Gipfeltreffen darauf dringen, so schnell wie möglich Zentren in Griechenland und Italien einzurichten, um die Verteilung der Flüchtlinge organisieren zu können.
Rüge für Ungarn
Die Regierung Ungarns erhielt unterdessen eine Rüge der EU-Kommission wegen ihrer brachialen Abwehrmaßnahmen gegen Flüchtlinge. "Wir haben eine moralische Pflicht, Flüchtlingen Schutz zu gewähren", betonte der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos am Donnerstag bei einem Besuch in Budapest. Avramopoulos kritisierte das gewaltsame Vorgehen ungarischer Sicherheitskräfte gegen Schutzsuchende in den vergangenen Tagen. Kritik übte er auch am neu errichteten Grenzzaun zu Serbien: Die Eskalation der Lage und das Entstehen neuer Fluchtrouten seien die Konsequenz, sagte er.
Avramopoulos war zuvor mit dem ungarischen Innenminister Sandor Pinter und Außenminister Peter Szijjarto zusammengetroffen. Er sagte den Regierungsvertretern finanzielle Unterstützung der EU bei der Versorgung von Flüchtlingen zu. Szjjarto forderte die EU auf, mehr Geld für Flüchtlingslager direkt in Krisengebieten zur Verfügung zu geben. "Es muss eine Lösung außerhalb europäischen Territoriums gefunden werden." Zufrieden zeigte sich Szjjarto mit Plänen der EU-Kommission, mit Hilfe multinationaler Grenzschutz-Teams die Überwachung der europäischen Außengrenzen zu verstärken.
Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Seid Ra'ad al-Hussein, warf Ungarn vor, mit seinem harten Vorgehen gegen Flüchtlinge das Völkerrecht zu verletzen. "Ich bin erschüttert angesichts der gleichgültigen und teilweise illegalen Vorgehensweise ungarischer Behörden", sagte der UN-Menschenrechtskommissar in Genf. Bilder von Frauen und Kleinkindern, die an der Grenze zu Serbien mit Tränengas und Wasserwerfern angegriffen würden, seien schockierend.
Andere Wege in die EU
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, fordert von der EU konkrete und schnelle Hilfe für Serbien. Angesichts der ungarischen Abschottung würden viele syrische Flüchtlinge jetzt eine andere Route nach Europa wählen, sagte UNHCR-Sprecherin Melissa Flemming am Donnerstag im WDR-Radio.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) forderte von der EU zehn Milliarden Euro an Flüchtlingshilfe. Das Geld solle für die EU-Außenstaaten und die Krisengebiete im Nahen und Mittleren Osten bereitgestellt werden, sagte Seehofer der Oldenburger "Nordwest-Zeitung" (Donnerstagsausgabe).