In einer emotionalen, teils erregten Debatte hat sich der Bundestag am Donnerstag mit den Vorschlägen zur Neuregelung der Suizidbeihilfe befasst. Gegner und Befürworter einer organisierten oder ärztlichen Hilfe bei der Selbsttötung warben in einer knapp dreistündigen Debatte um ihre Positionen. Kerstin Griese (SPD), deren Gruppe für ein Verbot der umstrittenen Sterbehilfevereine eintritt, sagte, sie halte ein solches Geschäftsmodell für ethisch nicht tragbar. Sie wolle "keine Hilfe zum Sterben, sondern beim Sterben", sagte sie. Peter Hintze (CDU) warb um sein Vorhaben, Ärzten die Hilfe beim Suizid zu erlauben. "Leiden ist immer sinnlos", sagte er.
Den Parlamentariern liegen insgesamt vier Gruppenanträge vor, die größtenteils auf einen Umgang mit Vereinen und Einzelpersonen zielen, die organisiert Hilfe zum Suizid anbieten. Diese Hilfe, die etwa geleistet wird, wenn todbringende Medikamente überlassen werden, ist in Deutschland nicht strafbar.
"Verzweifelten Menschen sollte man die Verzweiflung nehmen und nicht das Leben"
Michael Brand (CDU), der ebenso wie Griese die sogenannte geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe unter Strafe stellen will, sagte, er wolle die schleichende Ausweitung der Sterbehilfe verhindern. "Verzweifelten Menschen sollte man die Verzweiflung nehmen und nicht das Leben", sagte er.
Demgegenüber steht eine Gruppe um Bundestagsvizepräsident Hintze und Karl Lauterbach (SPD) für eine Regelung, die Ärzten die Suizidbeihilfe erlaubt. Die Ärzte sind in der Debatte ein Sonderfall, weil ihnen das Standesrecht diese Form der Sterbehilfe in der Regel verbietet. "Wir müssen den Menschen, die verzweifelt sind, ein Angebot schaffen", sagte Lauterbach. Hintze sagte, Selbstbestimmung sei der Kern der Menschenwürde. Das gelte besonders auch für das Lebensende. Er wolle nicht, dass verzweifelte Todkranke aus dem Fenster springen müssen, wenn die Palliativ- und Hospizmedizin ihnen nicht mehr helfen könne.
Die Anträge dieser beiden Gruppen haben bislang die meiste Unterstützung. Hinter dem Antrag der überfraktionellen Gruppe um Griese und Brand stehen mehr als 170 Unterstützer. Auch den Hintze/Lauterbach-Entwurf haben bereits mehr als 100 Parlamentarier unterzeichnet.
Weniger Unterstützung verzeichnen bislang die beiden anderen Anträge. Die in der Debatte schärfste Regelung wird von Patrick Sensburg (CDU) angestrebt, der jede Suizidbeihilfe unter Strafe stellen will. Er sei überzeugt, dass man nur auf diesem Wege grundsätzlich Klarheit schaffen könne, sagte er. Sensburgs Antrags hatte zuvor nur knapp das notwendige Quorum erreicht, um in den Bundestag eingebracht zu werden.
Für die liberalste Regelung steht eine Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke), die Sterbehilfevereine ausdrücklich erlauben will, solange sie nicht kommerziell ausgerichtet sind. Die Hilfe bei der Selbsttötung müsse bei einer freiverantwortlichen Entscheidung möglich sein, sagte sie. Auch Palliativmedizin stoße an Grenzen. Diesen Antrag unterstützen gut 50 Parlamentarier.
Für eine im Herbst geplante Abstimmung über eine Neuregelung haben die Parteien vereinbart, den Fraktionszwang aufzuheben. Jeder Abgeordnete soll nach seinem Gewissen entscheiden. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) unterstrich vor der Debatte am Donnerstag die Bedeutung dieser ethischen Frage. Es handele sich um eines der anspruchsvollsten und schwierigsten Gesetzesvorhaben in dieser Wahlperiode. Es gehe um die Frage, wie der Staat seiner unaufgebbaren Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Menschenwürde nachkomme, sagte er.