Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos stellte am Mittwoch in Brüssel Details seiner Verteilquoten-Entwürfe vor. Demnach möchte die Kommission zunächst 60.000 Menschen auf die einzelnen Länder aufteilen. 40.000 Flüchtlinge sollen von Italien und Griechenland aus in andere Staaten umgesiedelt werden, 20.000 Menschen aus Krisenregionen wie dem Nahen Osten eingeflogen werden.
Deutschland müsste aus diesen Kontingenten insgesamt 11.849 Menschen bei sich beherbergen. Damit würde die Bundesrepublik EU-weit die meisten Aufnahmeplätze schaffen, weil bei der Quote die Wirtschaftskraft, die Bevölkerungsgröße und die Arbeitslosenrate eine Rolle spielen. Die Bundesregierung ist aber im Grundsatz einverstanden mit den Vorschlägen aus Brüssel. Sie erhofft sich, dass mit einem Quotensystem die Flüchtlingszahlen in Deutschland letztlich langsamer steigen als ohne es. "Deutschland ist bereit, seinen Anteil zu tragen", unterstrich die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), am Mittwoch in Berlin.
Ärmere Staaten bekräftigen ihr "Nein" zur Flüchtlings-Quote
Bisher gilt in der EU die Regel, dass Asylsuchende grundsätzlich im europäischen Ersteinreiseland Schutz beantragen müssen ("Dublin-System"). Das führt einerseits dazu, dass Außengrenzländer wie etwa Griechenland und Italien besonders belastet sind. Andererseits tragen auch einige nördliche Länder wie Schweden und Deutschland erhebliche Lasten, weil viele Flüchtlinge im Mittelmeerraum für sich keine Perspektiven sehen und deshalb irregulär weiterziehen. Es handele sich um eine "Notumsiedlung", da in Italien und Griechenland im Moment außergewöhnlich viele Menschen ankämen, erläuterte Avramopoulos.
Eine Reihe von Ländern - vor allem ärmere Staaten mit niedrigen Flüchtlingszahlen - will hingegen von den Brüsseler Quotenplänen nichts wissen. Polen, Ungarn, Tschechien, die Slowakei und andere östliche Länder haben bereits mehrfach ihr Nein bekräftigt. Auch Frankreich ist dagegen. Großbritannien, Irland und Dänemark genießen unter den EU-Verträgen ohnehin einen Sonderstatus und können sich aus sämtlichen Quotenkonzepten ausklinken. Es ist daher möglich, dass die EU-Kommission die Umverteilung gar nicht eins zu eins verwirklichen kann. Ohne eine Mehrheit im EU-Ministerrat gibt es keine Beschlüsse.
EU-Kommission möchte Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea umsiedeln
Das existierende "Dublin"-System mit seinem Ersteinreiseland-Prinzip würde durch das Quotenkonzept aufgeweicht, aber nicht ersetzt. Zum einen ist die Zahl der umzusiedelnden Menschen und der zu entlastenden Länder sehr begrenzt. Zum anderen erfasst das Konzept nur wenige Herkunftsländer. Die EU-Kommission möchte Flüchtlinge aus Syrien und Eritrea umsiedeln, die wegen der schwierigen Lage in ihrer Heimat eindeutig internationalen Schutz brauchen. Es gehe um Herkunftsländer, bei denen die Asyl-Anerkennungsquote bei über 75 Prozent liege, erläuterte Avramopoulos.
Indessen schaut der Kommissar schon in die Zukunft: Bis Ende des Jahres möchte er einen weiter gehenden Gesetzvorschlag vorlegen, der einen automatischen und dauerhaften Mechanismus für die Umverteilung von Flüchtlingen vorsieht - nicht nur eine einmalige Initiative.