Der akademische Streit habe Relevanz für das Leben der Kirche, sagte eine Kirchensprecherin am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Berliner Landesbischof Markus Dröge hatte sich zuvor öffentlich von dem Theologieprofessor Notger Slenczka distanziert. Der Hochschullehrer der Humboldt-Universität hatte in einem wissenschaftlichen Aufsatz die Zugehörigkeit des hebräischen Alten Testamentes zum biblischen Kanon infrage gestellt.
Dröge hatte vor der Landessynode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Freitag betont, der umstrittene Text Slenczkas aus dem Jahr 2013 habe zu Recht in der wissenschaftlichen Welt keine Resonanz gefunden. Der Beitrag widerspreche dem Bekenntnis der evangelischen Kirche und schere aus der anerkannten Lehrtradition aus. Die tiefe Verwurzelung im jüdischen Glauben habe schon immer grundlegend zum christlichen Glauben gehört. Die sei im christlich-jüdischen Dialog noch einmal klar herausgearbeitet worden, als nach dem Holocaust die Schuldgeschichte eines theologischen Antijudaismus aufgearbeitet worden sei.
"Historisch nicht zutreffend und theologisch inakzeptabel"
Slenczkas beruft sich in dem Aufsatz auf den Theologen Adolf von Harnack (1851-1930), der das Alte Testament theologisch den sogenannten Apokryphen zurechnete und damit aus dem biblischen Kanon ausklammerte. Das Alte Testament sei kein Zeugnis des Gottesverhältnisses, sondern Dokument "einer ethnisch gebundenen Stammesreligion" mit partikularem Anspruch, argumentiert Slenczka.
Diese Position war bei Fakultätskollegen und dem Koordinierungsrat der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit auf Widerspruch gestoßen. Dessen evangelischer Präsident, der hessen-nassauische Pfarrer Friedhelm Pieper, kritisiert darin "einen handfesten Skandal im gegenwärtigen deutschen Protestantismus". Denn Slenczka verlasse mit seinen Thesen einen "Grundkonsens christlicher Theologie", seine Abhandlung stelle eine "Neuauflage des protestantischen Antijudaismus" dar.
Fünf Theologieprofessoren der Humboldt-Universität hielten ihrem Kollegen Slenczka vor, dessen Äußerungen zur Bedeutung des Alten Testaments für die christliche Theologie, zum Verhältnis von Altem und Neuem Testament sowie zur Kanonizität des Alten Testaments seien "historisch nicht zutreffend und theologisch inakzeptabel". Es stehe außer Zweifel, dass die Hebräische Bibel ebenso wie das Neue Testament "Quelle und Norm" der evangelischen Theologie sei und bleibe, schreiben die Humboldt-Professoren Christoph Markschies, Cilliers Breytenbach, Wilhelm Gräb, Rolf Schieder und Jens Schröter.