Expertin: Stabilisierung Libyens hilft Flüchtlingen zunächst nicht

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Expertin: Stabilisierung Libyens hilft Flüchtlingen zunächst nicht
Ein Stabilisierungsprogramm für Libyen ist nach Ansicht der Flüchtlingsexpertin Sophia Wirsching keine erfolgsversprechende Strategie, um Flüchtlingen kurzfristig zu helfen. "Die Situation in Libyen ist zerfahren, man kann von einem gescheiterten Staat sprechen", sagte die "Brot für die Welt"-Referentin dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin.

"Es ist keine verlorene Liebesmühe, zu versuchen, das Land zu befrieden und die Situation für die Flüchtlinge zu verbessern. Aber bis man Libyen stabilisiert hat, werden Jahre ins Land ziehen."

Die meisten Flüchtlinge stechen auf dem Weg nach Europa von Libyen aus in See, wie Wirsching erläuterte. Dort erscheine die Distanz über das Mittelmeer nach Europa überwindbar. Außerdem kontrolliere Libyen nach dem Sturz und Tod des Diktators Muammar al-Gaddafi 2011 die Küste nicht mehr. Laut Berichten sei die Lage für Flüchtlinge in dem Land dramatisch, sagte Wirsching. Migranten seien Kriminellen ausgesetzt, würden teilweise erpresst und gefoltert.

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte ein EU-Sonderprogramm angeregt, um Fluchtursachen in den Herkunftsländern der Menschen zu beseitigen. Ein Schwerpunkt müsse auf Libyen liegen, sagte er am Dienstag dem Radiosender Bayern 2. Die EU solle einen Sondergesandten einsetzen, der sich vor Ort um die Stabilisierung der politischen Institutionen, den Aufbau der Grenzsicherung und die Bekämpfung der Schleuserbanden kümmere.



Die Flüchtlinge wüssten, dass die Überfahrt nach Europa gefährlich sei, sagte Wirsching. "Es ist durchaus bekannt, dass Schiffe der Schlepper sinken. Die Menschen in Not sehen für sich allerdings oftmals keine Alternative." Außerdem kursiere die Fehlinformation, die Überfahrt dauere gar nicht so lange.

Auch in anderen Ländern Nordafrikas sei die Situation für Flüchtlinge dramatisch. "In Marokko leben beispielsweise viele Flüchtlinge in elenden Lagern", erklärte Wirsching. Sie seien Polizeiwillkür ausgesetzt. Die einheimische Bevölkerung sehe die Flüchtlinge oftmals als Bedrohung. "Eine Willkommenskultur gibt es nicht." Die Politik der EU sei hauptsächlich darauf ausgerichtet, die Überfahrt von Flüchtlingen nach Europa zu verhindern, kritisierte Wirsching. "Aus meiner Sicht darf man die Überfahrt aber auf keinen Fall verhindern. Man muss einen sicheren Weg schaffen, auf dem Flüchtlinge nach Europa kommen können."