Comicgeschichten hören sich blöd an, wenn man sie nacherzählt, und die von "Avengers: Age of Ultron" ganz besonders. Da ist dieser mörderische galaktische Irre. Der ist auf der Suche nach ein paar magischen Juwelen, von denen einer durch die Aktivitäten eines anderen galaktischen Irren auf die Erde gelangt ist. Mit Hilfe der fremdartigen Software, die in dem funkelnden Stein steckt, baut ein mental auch nicht ganz stabiler Milliardär und Erfinder einen Super-Androiden, der die Menschheit vor allen Irren des Kosmos beschützen soll, sich aber als der Durchgeknallteste von allen entpuppt. Sind Sie noch da?
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Die frühen Filme des "Marvel Cinematic Universe", um Iron Man, Thor und Captain America, hatten relativ schlichte Motive aus der Steinzeit der Marvel-Comics aufgenommen - wie kamen die Helden zu ihrem Job? - und waren für Nicht-Eingeweihte ganz gut zu verstehen. Die "Avengers" aber beruhen auf einer neueren Story, die sich im Hintergrund verschiedener Marvel-Filme schon eine Weile aufbaut, und der Autor und Regisseur Joss Whedon tut wenig, um die sich verdichtenden Materialschichten für Nicht-Fans aufzubrechen. Keine auffälligen zeitgenössischen Polit-Anspielungen, kein Shakespearisches Familiendrama stören im neuen "Avengers"-Film "Age of Ultron" die fast schon abstrakte Form: Das hier ist purer Comicfilm, der feuchte Traum eines Geeks.
Was nicht bedeutet, dass es nichts zu sagen hätte. Es ist nur so, dass der Superheld die bildungsbürgerliche Vorstellung von sinnstiftendem Erzählen hinter sich gelassen hat. Der amerikanische Romancier Michael Chabon hat die geheimnisvolle Doppelexistenz des kostümierten Helden einmal als eine Form von Travestie, als Geschichte der Transformation selbst beschrieben. Demnach kann das Superheldentum kein geschlossenes Konzept sein und keine konventionellen Geschichte erzeugen; es ist eher so etwas wie eine Struktur, eine Formel, nach der sich die Welt und unser Wissen darüber immer wieder neu sortieren - wie die beweglichen Moleküle im grünen Körper des Hulk oder eben das Programm des außeridischen Juwels, das Iron Man mit seinem eigenen Computersystem, dem seelenvollen elektronischen Butler J.A.R.V.I.S, verschmilzt.
Galaktischer Budenzauber und irdische Wissenschaft
Strukturen bildet man am besten, wenn man nicht allein ist, und deshalb machen die Kollektivgeschichten von Marvel den meisten Spaß. Whedon bewahrt in "Ultron" das WG-Feeling, das Fans an den Avengers schätzen, und bleibt dennoch immer in Bewegung. Neue Charaktere kommen ins Spiel, alte enthüllen unbekannte Seiten, orientieren sich um und geraten in Konflikte, mit denen sie in den für 2018 und '19 geplanten Sequels sicher noch zu kämpfen haben werden. Das alles in einem sehr flotten Wechsel zwischen Gefühligkeit und Action.
Dazu passt, dass Joss Whedon, vielleicht als erster, eine brauchbare kinematografische Entsprechung für die experimentelle Visualität, die Geometrie der Comics mit ihren immer komplizierter verschachtelten Bildkadern gefunden hat. Die Tiefe des 3D-Bilds nutzt Whedon, um Architekturelemente, Mauern, Pfeiler, Glaswände und die aus den Iron-Man-Filmen bekannten schwebenden Computer-Interfaces, zu staffeln und zu verkanten. In diese Räume fliegen und stürzen die Figuren, gefolgt von einer geschmeidigen Kamera, die die Illusion eines reinen, körper- und subjektlosen Blicks erzeugt - als wäre der Zuschauer selbst eine künstliche Intelligenz, die in jedem Moment Zugriff auf sämtliche Programme im Cyberspace hat. Am Ende werden galaktischer Budenzauber und irdische Wissenschaft eins. Warum auch nicht? "Ihr seid die Avengers", heißt es einmal: "Eure Welt ist verrückt."
USA 2015. Regie: Joss Whedon. Buch: Joss Whedon, Stan Lee (Comic), Jack Kirby (Comic). Mit: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Chris Hemsworth, Scarlett Johansson. Länge: 119 Minuten. FSK: ab 12 Jahre.