"Grundsätzlich ist der Wunsch zu bejahen, die eigenen Vorstellungen zu realisieren. Aber es gibt Grenzen, wenn die Interessen anderer ins Spiel kommen", sagte Bozzaro dem Evangelischen Pressedienst (epd). Schwangerschaften, bei denen die Frau über 35 Jahre alt ist oder Mehrlinge erwartet, gelten als Risikoschwangerschaften. Das Vorgehen der bereits 13-fachen Mutter hat bundesweit für Aufsehen gesorgt.
Annegret R., die sich in der Ukraine vier befruchtete Eizellen einpflanzen ließ, handele aus ethischer Perspektive verantwortungslos, rügte die Expertin. Sie gebe ausschließlich den eigenen Wünschen Raum, ungeachtet der Folgen, sagte Bozzaro, die am Institut für Ethik und Geschichte der Medizin in Freiburg arbeitet. Die Frau habe sich viele Embryonen einsetzen lassen, obwohl sie sich und die Embryonen einem hohen Risiko aussetze. "Mir kommt es so vor, als ob Annegret R. mit dem Schicksal anderer spielt." In der Regel überleben nicht alle Embryonen, oft kommt es zu Abgängen.
Außerdem kritisierte die Philosophin die behandelnden Mediziner, die der Frau die umstrittene Schwangerschaft ermöglichten. In Deutschland ist im Embryonenschutzgesetz geregelt, dass einer Frau nur maximal drei Embryonen eingesetzt werden dürfen.
Für Bozzaro, die unter anderem zu Altern und späte Mutterschaft forscht, wirft der Fall auch ethische Fragen auf. Der gesellschaftliche Nutzen der Reproduktionsmedizin müsse klarer definiert werden. Sie sollte nicht dazu benutzt werden, ein "Recht auf ein Kind" mit allen Mitteln zu ermöglichen. "Ein Kind ist kein Auto, das man sich kaufen kann", sagte sie: "Die natürlichen Bedingungen kann man heute durch die Technik umgehen, aber ist das auch immer wünschenswert?"
Die deutschen Bestimmungen zur Reproduktionsmedizin sind laut Bozzaro gut und ausreichend. "Gerade solche extremen Einzelfälle wie Annegret R. dürfen nicht dazu führen, dass der Gesetzgeber an den Regelungen schraubt." Wenn deutsche Paare ins Ausland fahren, um die strikten Gesetze zu umgehen, sei das unvermeidbar.
Die Expertin auf dem Gebiet Reproduktionsmedizin befürchtet, dass durch das Beispiel der Annegret R. ein verkehrtes Signal an Frauen beziehungsweise Mütter gesendet werde. Eine späte Mutterschaft berge erhebliche Risiken. Deshalb sollten aus gesellschaftspolitischer Perspektive Anstrengungen unternommen werden, "die es Frauen ermöglichen auch schon in früheren Jahren Kinder zu bekommen, ohne mit negativen Konsequenzen im Arbeitsleben zu rechnen".