Nach Ansicht des Vereins Miteinander - Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt ist der Rücktritt "ein fatales Signal für die Demokratie vor Ort". Als Reaktion auf den Rückzug von Markus Nierth (CDU) als Bürgermeister von Tröglitz beteiligten sich in dem Ort bei Zeitz im Süden Sachsen-Anhalts am Sonntagabend mehr als doppelt so viele Menschen wie sonst an einem Friedensgebet. Unter den mehr als 100 Besuchern in der evangelischen Kirche seien auch Innenminister Holger Stahlknecht und Landrat Götz Ulrich (beide CDU) gewesen, sagte Pfarrer Matthias Keilholz.
In den Kommunen wachse die Sorge vor weiteren Anfeindungen gegen Politiker, erklärte der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt. Geschäftsführer Jürgen Leindecker sagte am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Vorfälle in Tröglitz und um Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) seien möglicherweise erst die "Spitze des Eisbergs". Trümper steht seit einigen Tagen wegen Morddrohungen mit Nazisymbolen unter Personenschutz. Mit Blick auf Nierths Rücktritt betonte Leindecker, es sei "besonders verwerflich, dass Menschen, die sich ehrenamtlich für ein Amt zur Verfügung gestellt haben, zur Zielscheibe politisch motivierter Ansichten werden".
"Die Demokratie vor Ort darf nicht kapitulieren"
David Begrich vom Verein Miteinander sagte, Nierth habe ein hohes Engagement als evangelischer Christ und als Ortsbürgermeister gezeigt. Der ehrenamtliche Ortsbürgermeister hatte seinen Rücktritt erklärt, weil er laut eigener Aussage von Einheimischen und Rechtsextremen angefeindet wurde und sich vom zuständigen Burgenlandkreis im Stich gelassen fühlte. Grund für die Anfeindungen des Ortsbürgermeisters war offenbar sein Einsatz für die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz. Der Kreistag wollte am Montagabend in nichtöffentlicher Sitzung über den Abschluss von Mietverträgen abstimmen. Vorgesehen sind Wohnungen für bis zu 40 Asylbewerber. Nierth warb Begrich zufolge sehr offensiv mit Unterstützung des Landrates für die Aufnahme der Flüchtlinge.
"Die Demokratie vor Ort darf nicht kapitulieren", forderte Begrich. Parallelen zu den Morddrohungen gegen Trümper sieht Begrich indes nicht. Die Neonaziszene habe Trümper schon vor Jahren als ihr Feindbild ausgemacht, sagte er.
Nierth trat zurück, weil ein Aufzug von Heimgegnern an diesem Sonntag vor seinem Privathaus enden sollte und die Behörden offenbar zunächst keine Möglichkeiten sahen, das zu verhindern. Landrat Ulrich wies Nierths Vorwurf zurück, er hätte die für Sonntag geplante Kundgebung von Gegnern der Flüchtlingsunterbringung nicht genehmigen dürfen. Eine solche Genehmigung sei gar nicht erteilt worden, sagte Ulrich. Vielmehr sei es um die Frage gegangen, ob die Versammlungsbehörde eine Kundgebung auf der Straße vor dem Haus von Nierth verbieten kann. Der Rücktritt sei erfolgt, noch bevor dazu eine abschließende Entscheidung getroffen worden sei.