Ob Martin Luther 1517 seine 95 Thesen am Vorabend von Allerheiligen tatsächlich an die Tore der Wittenberger Stadtkirche nagelte, ist historisch nicht belegt. Mit diesem Bild erinnert man sich aber der Bedeutung und Sprengkraft seiner Gedanken. Mit der Veröffentlichung seiner Kritik am Ablasshandel der Kirche begann Luthers anhaltender Disput mit der Theologie seiner Zeit, der sich zu einer Reformationsbewegung auswuchs und letztlich zur Gründung evangelischer Kirchen führte – was Luther nie beabsichtigt hatte. Und die Wirkung ging weit darüber hinaus: Die Reformation gilt heute auch gesellschaftlich, politisch und kulturell als bedeutende Zäsur.
Feierlichkeiten über mehrere Tage
Feiern zum Reformationsgedenken sind schon seit dem 16. Jahrhundert belegt. Doch gab es, wie bei so vielen kirchlichen Festen, zunächst unterschiedliche Termine. Jede Kirche regelte die Feierlichkeiten, die sich mitunter über mehrere Tage erstreckten, für ihre Region anders. Der 31. Oktober gilt erst seit 1667 als verbindlicher Feiertag der Reformation aller Protestanten, Kurfürst Georg II. von Sachsen erließ eine entsprechende Anordnung und stellte damit die Verbindung zu Luthers - legendär überlieferten - Thesenanschlag an der Wittenberger Schlosskirche her. Heute ist der Reformationstag nur noch in den neuen Bundesländern staatlich geschützter Feiertag. In den Gemeinden wird er mit Gottesdiensten gefeiert. Allerdings gibt es Überlegungen, den 31. Oktober 2017 - zum 500. Reformationsjubiläum - auch deutschlandweit einmalig zum staatlichen Feiertag zu machen.
"Aus Liebe zur Wahrheit"
Mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung seiner provokanten Denkschrift trat Luther bewusst in den Fokus der kirchlichen Obrigkeit, die an Allerheiligen regelmäßig zum Disput zusammenkam. Mit den folgenden Worten stellte er seine 95 Thesen zur Diskussion:
"Aus Liebe zur Wahrheit und in dem Bestreben, diese zu ergründen, soll in Wittenberg unter dem Vorsitz des ehrwürdigen Vaters Martin Luther, Magisters der freien Künste und der heiligen Theologie sowie deren ordentlicher Professor daselbst, über die folgenden Sätze disputiert werden. Deshalb bittet er die, die nicht anwesend sein und mündlich mit uns debattieren können, dieses in Abwesenheit schriftlich zu tun. Im Namen unseres Herrn Jesu Christi, Amen."
Zudem bezog er sich auch auf den Tag des (heute katholischen) Totengedenkens am 1. November, der als Tag der Buße auf die Endlichkeit des Lebens verwies. „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht ‚Tut Buße’ (Matthäus 4,17), hat er gewollt, daß das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll“, forderte Luther in seiner ersten These. Damit lieferte er ein ganz neues Verständnis von Buße, das seine später formulierten theologischen Überlegungen bereits im Keim enthielt.