"Menschen sollten nicht ihr Leben riskieren müssen, um in Europa Schutz zu finden", sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos am Dienstagabend vor dem Europaparlament in Brüssel. Die Abgeordneten hatten Avramopoulos aufgefordert, zum Phänomen der führerlosen "Geisterschiffe" im Mittelmeer Stellung zu nehmen. Schleuserbanden sind seit einigen Monaten dazu übergegangen, Flüchtlinge auf ausgemusterte Frachter zu pferchen und sie auf dem Meer ihrem Schicksal zu überlassen.
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Vor zwei Wochen waren die Frachtschiffe "Ezadeen" und "Blue Sky M" nur knapp einer Katastrophe entgangen, als sie - aus der Türkei kommend - mit mehr als 1.000 Menschen an Bord auf die italienische Küste zusteuerten. Skrupellose Schmuggler verdienten ein Vermögen mit kriminellen Aktivitäten, unterstrich Avramopoulos. Die 28 EU-Länder hätten in jüngerer Zeit nur 36.000 syrischen Flüchtlingen eine sichere und legale Einreise versprochen. Mehr als 207.000 Menschen hätten indes auf Booten und Schiffen illegal das Mittelmeer überquert.
Insgesamt vermeldet die EU seit September 2014 15 Zwischenfälle mit alten Frachtschiffen. 6.070 Menschen wurden von den Frachtern gerettet, der überwiegende Teil von ihnen Syrer. Die EU-Länder sollten nicht nur insgesamt mehr Menschen aufnehmen, sondern auch die Ankömmlinge fair verteilen, sagte Avramopoulos. Er habe einen ersten europäischen Umsiedlungsplan auf den Weg gebracht. Wichtig seien auch eine bessere humanitäre und Entwicklungshilfe.
Avramopoulos stellte auch einen Vier-Punkte-Plan für die Bekämpfung von Schleuserbanden vor. Zum einen will er versuchen zu verhindern, dass Menschen sich in die Hände von Schmugglern begeben - etwa mittels Informationskampagnen und mehr Schutzangeboten außerhalb Europas. Zweitens will er mehr Informationen über die Routen, die Profile und die Arbeitsweisen der Schmuggler sammeln lassen. Nationale und internationale Polizeibehörden sollen sich besser austauschen.
Drittens will er den EU-Rechtsrahmen für die Strafverfolgung von Schmugglern modernisieren und Mechanismen schaffen, die Finanzierungsströme der kriminellen Ringe zu durchleuchten. Viertens will er die Zusammenarbeit mit Durchreise- und Herkunftsländern verbessern und ihnen Geld und Expertise zukommen lassen, damit sie selbst gegen Schleuser vorgehen.
Der italienische Sozialdemokrat Gianni Pittella warnte während der Debatte vor dem "Trugschluss", dass auf den Schiffen mit den Flüchtlingen auch islamistische Terroristen sein könnten. "Terroristen haben solch eine Überfahrt nicht nötig. Sie werden von Terrornetzwerken finanziert, sie haben Geld", unterstrich er. Die maltesische Christdemokratin Roberta Metsola sagte, das Europaparlament habe schon zwei Resolutionen zum Thema Migration vorgelegt. "Der Ball liegt nun bei den EU-Regierungen. Sie müssen handeln", verlangte sie.