Filmkritik: "Exodus: Götter und Könige"

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Filmkritik: "Exodus: Götter und Könige"
Bibelepos eines agnostischen Regisseurs - In "Exodus: Götter und Könige" will Ridley Scott die Moses-Geschichte in neuem Licht zeigen.
24.12.2014
epd
Patrick Seyboth

Während der Vorbereitungen zu seinem Moses-Film "Exodus: Götter und Könige" bekam Ridley Scott Publicity, die er sich wohl nicht gewünscht hat: Die Besetzung der Hauptrollen durch ausschließlich weiße Schauspieler brachte dem Regisseur von einigen Seiten den Vorwurf des Rassismus ein. Und dann verstörte auch noch Hauptdarsteller Christian Bale Gläubige mit der Äußerung, der reale Moses sei wahrscheinlich schizophren gewesen sowie eine der "barbarischsten" Figuren, von denen er je gehört habe.

Christen, die jedes Bibelwort für die absolute Wahrheit und rein gar nichts von Metaphern halten, dürfte auch der fertige Film nicht gefallen. Der erklärte Agnostiker Scott und sein Autor Steven Zaillian nehmen sich eine Menge Freiheiten, um den nicht ganz jungfräulichen Stoff in einem neuen Licht zu präsentieren: dem des Zweifels. Diese Herangehensweise wartet mit ein paar Überraschungen auf, steht aber leider im Missverhältnis zur Blockbuster-Wurschtigkeit, mit der so manche Charaktere, Themen und "große Emotionen" abgewickelt werden.

Die Kindheitsgeschichte seines Helden spart "Exodus: Götter und Könige" klugerweise aus und absolviert die Großerzählung in fast bescheidenen zweieinhalb Stunden. Dabei hält sich die Geschichte weitgehend an die Stationen des biblischen Plots: Moses? wahre Herkunft wird enthüllt, woraufhin er in die Wüste geschickt wird. Er findet Aufnahme bei einem Hirtenvolk, heiratet, bekommt einen Sohn, erhält Jahre später den göttlichen Auftrag, sein Volk aus der Knechtschaft zu befreien.

Ein Guerillakrieg gegen die Ägypter und den neuen Pharao Ramses hebt an, doch erst nach den gottgesandten zehn Plagen können die Hebräer Richtung Kanaan ziehen. Die pharaonische Armee geht bei der Verfolgung im Roten Meer unter, während die ehemaligen Sklaven weiterziehen, um das Land zu erreichen, wo Milch und Honig fließen. Um dort eine neue Gesellschaft zu formen, braucht es aber Gesetze: die Zehn Gebote.

So weit, so bekannt. Und so naheliegend die Gefahr, eine Nummernrevue der Actionhöhepunkte zu liefern. Ridley Scott entkommt ihr nur phasenweise und glänzt vor allem mit Schauwerten in solidem, nie aufdringlichem 3D. Gedreht außer in den Pinewood-Studios in Wüstenszenerien des spanischen Almería, durch die bereits Peter O'Toole als "Lawrence von Arabien" zog, sowie auf Fuerteventura, bietet "Exodus" beeindruckende Panoramen von weiten Landschaften, Menschenmassen und ägyptischen Monumentalbauten, die man teilweise noch im Bau bewundern darf. Da möchte der Blick bisweilen mehr Zeit haben, um durch die detailreich ausgestalteten computergenerierten Bilder zu wandeln, doch die Montage hat es meist eilig, zu handlungsrelevanten Elementen zurückzukehren.

Der göttliche Auftrag nur eine Halluzination?

Uninspiriert wie die von Klischees strotzende Musik von Alberto Iglesias verfährt das Drehbuch leider mit den Motiven, die es um das biblische Handlungsskelett herum modelliert. Intrigen am Hofe, Moses? Ringen um seine Identität und mit dem Glauben, seine Konflikte, als er Frau und Kind zurücklässt - flüchtige, blasse Skizzen, wie die meisten Nebenfiguren.

Ungewöhnliche Wege schlägt "Exodus" ein, wo es um den religiösen Kern der Geschichte geht. Da ist er auf der Höhe der Zeit, skeptisch und ohne Scheu vor Irritationen. Sein Moses könnte durchaus ein Wahnsinniger sein - und genau deshalb der richtige Mann zur richtigen Zeit. Zum ersten Mal erscheint Gott ihm, als er nach einem Erdrutsch fast vollständig verschüttet und halb von Sinnen ist. Der göttliche Auftrag also nur eine Halluzination, vergleichbar etwa den Stimmen, die Jeanne d'Arc vernommen haben soll? 

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Auch Jahwe ist eine Überraschung. Er wird in Gestalt eines kleinen Jungen inszeniert, der ziemlich launisch daherkommt, mal grausam, mal kryptisch spricht. Oder trotz Moses? Flehen überhaupt keine Antwort gibt. Für die zehn Plagen, ein grauenvolles Stakkato aus Blut, Ekel, Dunkelheit und Tod, liefert dann ein Gelehrter des Pharaos den wissenschaftlichen Erklärungsansatz, demgemäß ein Unheil das nächste hervorbringt, als Kettenreaktion physikalischer und biologischer Phänomene. Im Zuge dieser skeptischen Neubewertung von biblischen wie bibelfilmischen Standardsituationen kann auch das "Meereswunder" nicht gar so wunderlich aussehen wie in früheren Adaptionen - beträchtlichen Schauwert besitzt es gleichwohl. Es sind letztlich ein paar clevere Ideen, mit denen Ridley Scott seinen Exodus über den belanglosen Retro-Sandalenfilm zu Weihnachten hinaushebt.

GB/USA/E 2014. Regie: Ridley Scott. Buch: Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine, Steven Zaillian. Mit: Christian Bale, Joel Edgerton, Aaron Paul, Sigourney Weaver, Ben Kingsley, Maria Valverde, John Turturro, Andrew Tarbet, Ben Mendelsohn. Länge: 150 Minuten. FSK: 12.