Die Leute wüssten genau, warum sie in die Kirche gehen, sagte Bedford-Strohm in einem am Montag veröffentlichten Interview der Tageszeitung "Die Welt" (Online-Ausgabe). Die Kirchgänger an Weihnachten spürten, wohin sie gehen müssen, wenn sie über die aktuelle Situation hinaus nach vorn schauen wollten.
In der Weihnachtspredigten und -gebeten müsse natürlich die gesellschaftliche Realität vorkommen, wie etwa in diesem Jahr die Flüchtlinge. "An ihnen zeigt sich, dass Weihnachten nicht nur Romantik ist", erläuterte Bedford-Strohm. Wenn allerdings Menschen zu Weihnachten eine tiefe Sehnsucht nach Frieden und Konfliktüberwindung in die Kirche bringen, sollte dies nicht schlecht gemacht werden, warb der EKD-Ratsvorsitzende. Denn mit dieser Sehnsucht gingen sie an den richtigen Ort, an dem "eine wunderbare Botschaft zu hören ist von einem kleinen Kind, von einem Menschen, der dann am Kreuz stirbt und wieder aufgeweckt wurde".
Weihnachten im Schützengraben
Deshalb halte er nichts davon, sogenannte Weihnachtschristen zu diffamieren, ergänzte der Theologe. In Deutschland besuchen an Heilig Abend rund 8,5 Millionen Menschen evangelische Gottesdienste, an normalen Sonntagen sind es nahezu 900.000. Er lade alle ein, es auch im übrigen Jahr mit Gottesdiensten neu zu versuchen. Der Sonntagsgottesdienst sei ein Ort, um über sich selbst, über Schuld und Vergebung nachdenken zu können, empfahl der Ratsvorsitzende.
In seiner Predigt am ersten Feiertag werde er an den Weihnachtsfrieden von 1914 erinnern und über Europa als Friedensprojekt sprechen, sagte der bayerische Landesbischof. Im Ersten Weltkrieg hätten deutsche und britische Soldaten an der Front die Waffen ruhen lassen, als sie die Lieder der jeweils anderen hörten. Statt aufeinander zu schießen, hätten sie sich Geschenke gemacht. Diese eindrucksvolle Geschichte finde heute eine Fortsetzung, wenn Briten und Deutsche zusammen im Europaparlament sitzen, ergänzte Bedford-Strohm.