Als sich Martin Luther im März 1522 mit den berühmten Invocavit-Predigten an die Bilderstürmer richtete, formuliert er offenbar eine skeptische, ablehnende Haltung zum Bildgebrauch. Seinen Zuhörern sagt er, dass "es besser were, wir hetten derselbigen Bilder gar keines umb des leidigen vermaledeiten Missbrauchs und unglaubens willen". In den späteren Jahren scheint Luther in der Bilderfrage einen Wandel vollzogen zu haben. Nun stellte er vielfach ihren lehrhaften Charakter heraus. Doch erkennt man auch Luthers rhetorische Mittel hinter dem anfänglichen Zugeständnis an die Bilderfeinde und sieht die Tradition seiner Bildverteidigung in Anlehnung an Papst Gregor den Großen, der die Bilder als Bücher der Laien beschrieb.
###mehr-artikel###In der Praxis ist die Bedeutung der Bilder für den Erfolg der Reformation nicht zu unterschätzen. Wortgewalt der Reformatoren wurde wesentlich von Bildern getragen und transportiert. Früh nutzte man im Kontext der Glaubensstreitigkeiten polemische, satirische Bilder auf Flugblättern und Flugschriften, um den Gegner bloßzustellen. Sachliche Kritik war hier nicht gefragt, die Darstellungen waren nicht selten rüde, grob und diffamierend. Dem Betrachter wurde bis hin zur fäkalen Bildsprache kaum etwas erspart. Und sicherlich genau deswegen erregten sie Aufmerksamkeit und fanden reißenden Absatz.
Bilder als Waffe im Glaubensstreit
Noch im Jahr 1521 erschien das "Passional Christi und Antichristi". Der überwältigende Erfolg der Flugschrift beruhte kaum auf den von Philipp Melanchthon zusammengestellten Bibelzitaten und Textpassagen aus dem römischen Kirchenrecht und päpstlicher Dekrete, sondern vielmehr auf den in der Cranach-Werkstatt entstandenen Holzschnitten. Die 13 antithetisch aufeinander bezogenen Bildpaare konfrontieren schlicht und entlarvend reales päpstliches Ritual mit Szenen des Lebens Christi.
Bildpolemik gegen den Papst
###mehr-links###Deutlicher ist die Bildpolemik der nicht weniger berühmten Holzschnitte im Septembertestament. Luther verzichtete für seine Bibelübersetzung, die ein knappes halbes Jahr nach seinen bildkritischen Invocavitpredigten in Druck ging, keineswegs auf Illustrationen. Das visionäre Buch der Apokalypse, das in der Eindrücklichkeit seiner sprachlichen Bilder bereits in vorreformatorischen Bibeln Herausforderung und Anregung für die künstlerische Ausgestaltung bot, wurde von Lucas Cranach d. Ä. mit 21 ganzseitigen Darstellungen bebildert.
Insbesondere die mit dem Papst gleichgesetzte Hure Babylons aus dem Septembertestament prägte sich ins Gedächtnis der Lutheraner ein und wird vielfach wieder aufgegriffen. So sieht man in der St. Annenkirche in Eisleben auf dem 1569 entstandenen Epitaph des Grafen Hans I. von Mansfeld-Hinterort vor dem Höllenrachen (linkes Bild) nun anstelle der weiblichen Hure mit der Papstkrone den Papst in vollem Ornat. Er reitet auf dem mehrköpfigen Tier, das nun neben einer Papstkrone auch eine Bischofsmitra trägt. Das Epitaph erinnert den Betrachter an die frühen Glaubenskämpfe, die untrennbar mit den polemischen Bildformularen verbunden waren.