"Auch den pflegenden Angehörigen, die für die häusliche Pflege ihrer Eltern oder Ehepartner den Beruf aufgeben müssen, droht sozialer Abstieg und Ausgrenzung", sagte Andreas Mayert, Ökonom beim Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Der Hannover Sozialwissenschaftler forderte deshalb im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) Hilfen, "die Pflegebedürftigen das häufig unvermeidliche Schicksal eines isolierten Lebensabends in Sonderwelten ersparen".
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Pflegebedürftige sollten dort leben können, wo sie leben wollen: in den eigenen vier Wänden oder in einer betreuten Wohnform ihrer Gemeinde, inmitten der sozialen Bezüge, die ihr Leben ausmachen. "Stattdessen werden zurzeit die künftigen Wohnformen pflegebedürftiger Menschen in Beton gegossen", kritisiert Mayert und weist darauf hin, dass die Zahl der Pflegeheime zwischen 1999 und 2011 um 39,5 Prozent zugenommen hat. Mit mehr Assistenzleistungen für sie selbst und ihre Angehörigen könnten jedoch viele der insgesamt 740.000 Heimbewohner weiter in ihrer gewohnten Umgebung leben.
Der Pflegeexperte des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, das im Oktober zehn Jahre alt wurde, will keine Pauschalkritik an der stationären Pflege üben. Nach seiner Meinung ist es aber "Zeit, sich der Inklusion alter pflegebedürftiger Menschen zuzuwenden". Das sei deutlich mehr als Versorgung und Betreuung: "Eine humane Gesellschaft muss eine soziale Infrastruktur vorhalten, die Pflegebedürftigen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht." Dazu gehörten auch mehr Hilfen für die 1,7 Millionen ambulant gepflegten Menschen, "deren Heimeinweisung nur unter größtem Einsatz und Entbehrungen der Angehörigen vermieden werden kann".
Die Inklusion pflegebedürftiger Senioren könne gelingen, wenn ihnen in weit größerem Umfang als bisher Leistungen aus der Behindertenhilfe gewährt würden. Bereits der Altenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 habe kritisiert, dass pflegebedürftige Senioren von diesen Leistungen ausgeschlossen seien. Dabei "gelten sie zum Beispiel im Falle der Demenz zweifelsfrei als behinderte Menschen - und zwar mit allen damit verbundenen Rechtsansprüchen, die ihnen zur Sicherung ihrer Teilhabe zustehen", heißt es in dem 550 Seiten starken Expertenpapier. Die Kritik hatte indes keine Folgen, beklagt Mayert.