Eigentlich wollte Alfred Komarek seinen gemütlichen Gendarmeriebeamten Simon Polt aus Niederösterreich nur vier mal ermitteln lassen. Da die Verfilmungen beinahe untrennbar mit Antonio Vivaldis Violinkonzert "Die vier Jahreszeiten" verbunden sind, galt auch die Filmreihe mit der Pensionierung des Polizisten als beendet; und dann schrieb Komarek einen fünften Teil, den er schlicht "Polt." nannte. So heißt nun auch der Film, und gegen Ende ahnt man schreckerfüllt, welche finale Bedeutung der Punkt im Titel haben könnte.
Selbstverständlich ist Erwin Steinhauer erneut in die Rolle geschlüpft; schon nach wenigen Minuten des Auftaktfilms "Polt muss weinen" (2000) konnte man sich keinen anderen Darsteller mehr vorstellen. Seither hat sich ein bisschen was verändert im Wiesbachtal; aber eigentlich auch wieder nicht. Die Filme sind die pure Entdeckung der Langsamkeit. Oftmals scheint die Kamera irgendwo in der Landschaft zu stehen und darauf zu warten, dass Polt vorbeigeradelt kommt. Die Bildgestaltung (Walter Kindler) vermeidet ohnehin jeden Anflug von Hektik. Hin und wieder gibt es mal eine Fahrt oder einen Schwenk, aber im Grunde ist die Kamera ähnlich bodenständig wie die Hauptfigur.
Im Ruhestand noch ein bisschen kriminalisien
Polt vertreibt sich sein Dasein als Pensionär, indem er ein bisschen im Gemischtwarenladen hilft und gemeinsam mit seinen Freunden die lokale Kneipe betreibt; ansonsten sind sämtliche Beteiligten vorwiegend damit beschäftigt, die örtlichen Weinbestände zu dezimieren. Einer allerdings bleibt trocken: Chefermittler Bastian Priml (Simon Schwarz) ist Alkoholiker und verschmäht den offenbar guten regionalen Tropfen; das mag erklären, warum er den trinkfreudigen Einheimischen so distanziert und süffisant begegnet. Allerdings sind sie in seinen Augen auch ausnahmslos potenzielle Verdächtigte: Als Polt eines Abends mit seinem Freund Norbert (Fritz Karl) noch einen Spaziergang zu dessen Weinberg macht, entdecken sie eine Leiche. Der Mann hat offenbar Selbstmord begangen. Bloß Priml hat seine Zweifel, und das, wie sich rausstellt, völlig zu Recht: Der Tote war zu Lebzeiten ein Schürzenjäger und entsprechend unbeliebt bei den Männern des Dorfes. Polt ist hin und hergerissen: Einerseits reizt es ihn, auch im Ruhestand noch ein bisschen zu kriminalisieren, andererseits fürchtet er sich vor der Wahrheit.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Julian Roman Pölsler hat alle Polt-Romane adaptiert und inszeniert, und da er der Reihe stilistisch stets treu geblieben ist, wirkt "Polt." ebenso aus der Zeit gefallen wie die Figuren. Das moderne Leben hat um Brunndorf einen großen Bogen gemacht. Es gibt keine Computer und keine mobilen Telefone, die wenigen Autos haben Museumswert (Priml fährt einen bockigen alten Käfer); letztlich dreht sich das Leben ausschließlich um den Wein. So entschleunigt wie der Alltag der Menschen ist auch Pölslers Regie. Einzig der Schluss, wenn der Tathergang in einer blutrot eingefärbten Rückblende nachgereicht wird, fällt aus dem Rahmen. Umso mehr Muße hat man, den wunderbaren Schauspielern zuzuschauen. Erwin Steinhauer, in sich ruhend wie ein Weinberg, ist großartig wie immer. Auch Simon Schwarz, als windiger "Inkasso-Heinzi" Gelegenheitsmitspieler im Wiener "Tatort", hat spürbar große Freude an seinem etwas penetranten Chefermittler. Und die unverkennbaren Vivaldi-Variationen von Hans-Jürgen Buchner (Haindling) sind ohnehin ein akustisches Erlebnis.