Experte: Debatte um Sterbehilfe ignoriert Gründe für Suizide

Experte: Debatte um Sterbehilfe ignoriert Gründe für Suizide
Die Gesellschaft für Suizidprävention spricht sich für einen Ausbau der Palliativmedizin aus. Der Bundestag berät demmächst über eine Neuregelung der Sterbehilfe in Deutschland.

In der Debatte um Sterbehilfe spiegeln sich nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention mangelnde Kenntnisse über das Thema Selbsttötung. Die meisten Rechtsphilosophen und Medizinethiker berücksichtigten den ambivalenten Charakter des Suizidwunsches nicht, bei dem es nicht nur darum gehe zu sterben, erklärte der stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, Georg Fiedler, am Freitag in Köln. "Der möglicherweise tiefergehende Wunsch nach Hilfe und emotionaler Unterstützung wird schlicht ignoriert, wenn bei einem Suizidwunsch nur geprüft wird, ob jemand 'entscheidungsfähig' ist."

Auch private Stellungnahmen prominenter Mitbürger könnten nicht als Grundlage für eine gesetzliche Regelung zum assistierten Suizid dienen, betonte der Experte vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zum Auftakt der Herbsttagung des Fachverbandes. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, hatte gefordert, Hilfe beim Suizid im engsten Familien- und Freundeskreis nicht zu verbieten. In Interviews hatte er auch erklärt, seine an Krebs erkrankte Frau Anne begleiten zu wollen, wenn sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen wolle.

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Von den rund 10.000 Suiziden pro Jahr in Deutschland werden nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention nur äußerst wenige von sterbenden Menschen verübt. Die Mehrzahl der Fälle habe einen Zusammenhang zu einer psychischen Erkrankung. Suizidwünsche dürften nicht als Ausdruck eines unbedingten Willens zum Sterben verstanden werden, sondern als Ausdruck, dass der Betroffene unter den gegebenen Umständen nicht mehr weiterleben kann. In einer Stellungnahme zur Sterbehilfe plädiert die Gesellschaft unter anderem für einen flächendeckenden Ausbau der Palliativmedizin.

Im Bundestag wird derzeit diskutiert, organisierte Formen der Suizidbeihilfe zu verbieten. Damit soll die Arbeit umstrittener Sterbehilfevereine unterbunden werden. Die Assistenz bei der Selbsttötung, etwa durch Überlassung tödlicher Medikamente, ist in Deutschland grundsätzlich nicht verboten.