"Die Rettung von Menschen muss unbedingt Vorrang vor dem Schutz von Grenzen haben", sagte der Vorsitzende der EKD-Kammer für Migration und Integration, Volker Jung, am Mittwoch in Darmstadt. Dass es bisher kein EU-Rettungssystem gebe, nannte er eine "Schande".
In den vergangenen Tagen waren vor der Küste von Malta mindestens 750 Menschen ums Leben gekommen. Zeugen berichteten, Schleuser hätten ein Boot mit 500 Menschen an Bord vorsätzlich zum Kentern gebracht. Die Flüchtlinge hatten sich zuvor nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geweigert, auf dem offenen Meer in ein kleineres, nicht hochseetaugliches Boot umzusteigen. Die Menschen stammten unter anderem aus Syrien, Ägypten und den Palästinensergebieten. Zwei überlebende Palästinenser wurden nach IOM-Angaben nach mehr als 24 Stunden im Wasser gerettet und nach Sizilien gebracht.
Jung wies darauf hin, dass Italien mit der Marineoperation "Mare Nostrum" seit Oktober 2013 mehr als 110.000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet habe. "Diese Operation darf jetzt nicht zurückgefahren werden", verlangte der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau. Sie müsse vielmehr in europäische Verantwortung überführt werden.
Die Europäische Union plant derzeit eine Übernahme des Einsatzes durch die EU-Grenzschutzbehörde Frontex. Allerdings soll die neue Operation wegen der begrenzten Frontex-Mittel längst nicht den Umfang von "Mare Nostrum" haben. Flüchtlingsrechtler befürchten außerdem, dass der EU-Einsatz nicht nur der Rettung, sondern auch der Abwehr von Flüchtlingen dienen könnte.
Nach den Worten von Jung ist es zentrale Aufgabe der europäischen Flüchtlingspolitik, legale und unbürokratische Zugangswege nach Europa zu schaffen, damit Flüchtlinge gar nicht erst die lebensgefährliche Reise übers Mittelmeer wagen müssten. "Es ist an der Zeit, der Betroffenheit Taten folgen zu lassen", unterstrich der Geistliche Auch die EU-Kommission in Brüssel hatte nach den Unglücken der letzten Tage an die europäischen Länder appelliert, mehr legale Fluchtwege nach Europa zu schaffen.