"Mission gehört zutiefst zum Wesen der Kirche" - fast schon trotzig stellt das gemeinsame ökumenische Wort "Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt" von 2011 diesen Satz an den Anfang. Das Dokument war vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK), dem Päpstlichen Rat für interreligiöse Angelegenheiten (PCID) und der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA) gemeinsam verabschiedet worden - ein historischer Schritt. Erstmals sehen sich diese Kirchen in ihrer Mission nicht mehr als Konkurrenten, sondern wollen sich künftig respektieren, ja sogar um der Sache Christi willen künftig zusammenarbeiten. Wie das konkret gehen kann, haben sie jetzt auf einem zweitägigen Kongress in Berlin besprochen.
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Anders als so häufig in den Jahrhunderten zuvor soll christliche Mission nun von "Mitgefühl und Demut", und eben nicht mehr von "Arroganz, Herablassung und Herabsetzung anderer" geprägt sein. Jede Form des Zwanges oder der Gewalt bei der Mission werden abgelehnt. Das Dokument will keine theologische Begründung für Mission sein. Vielmehr möchte es praktische Anregungen für ein christliches Zeugnisses in einer multireligiösen Welt geben.
"Verkündigung ist ein Muss der christlichen Existenz, und das meint die Verkündigung von gegenseitigem Respekt", sagte Miguel Guixot, Sekretär des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog. "Das meint den Einsatz für Religionsfreiheit für alle Glaubensgemeinschaften im Land. Es geht um die gemeinsame Zusammenarbeit für Gerechtigkeit und Frieden. Christliches Zeugnis meint Engagement für Bedrängte, und egal ob Christen oder Nicht-Christen, das Zeigen von echter Solidarität."
Moderate Kräfte stärken - gegen Extremisten
So hat das kaum ein Dutzend Seiten umfassende Papier eine ausdrücklich politische Ausrichtung. Die christliche Mission müsse sich bei den Regierungen der Welt für die Religionsfreiheit und damit eben auch für die Menschenrechte einsetzen. Es gehe dabei auch um Hilfe für Flüchtlinge.
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"Lasst uns doch einen sicheren Hafen bilden, eine sichere Stadt sein für die, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden", rief der Direktor der Weltweiten Evangelischen Allianz, Geoff Tunnicliffe, die Kongressteilnehmer auf. "Natürlich ist das schwierig, es gibt eine Menge Akteure, von den Vereinten Nationen bis zu den Regierungen der jeweiligen Länder. Aber es braucht die moralischen Stimmen der Kirchen, die zusammenarbeiten müssen. Nur so, wie die Welt jetzt ist, funktioniert es nicht, und wir müssen etwas anders machen." Der Kanadier spricht für 128 Evangelische Allianzen mit rund 600 Millionen Mitgliedern.
Es gehe auch darum, Zeugnis für eine Welt des Zusammenlebens abzugeben und sich damit gegen radikale und fundamentalistische Kräfte zur Wehr zu setzen. Gerade Kirchen mit ihren moderaten Positionen könnten in einer multireligiösen Welt ein wichtiger Friedens-Faktor sein, etwa im Hinblick auf den radikalen Islam.
"Wenn diese moderaten Menschen nicht damit fortfahren, miteinander zu reden, werden die Extremisten Überhand nehmen", sagt der ehemalige schwedische Bischof und heutige Präsident des Ökumenischen Rates der Kirchen Anders Wejryd. "Und ähnlich sieht es auch im Islam aus. Moderate Kräfte im Islam brauchen moderate Kräfte im Christentum, um eine Chance zu haben, Extremisten in ihrer eigenen Religion auszubalancieren."
Kritik an aggressiven Methoden
Schöne Worte, der aber auch Taten folgen müssen. Auf der Berliner Missionskonferenz selbst wurde zugegeben, dass das ökumenische Papier gerade einmal drei Jahre alt ist und nun erst in den jeweiligen Missionswerken und Gemeinden aufgenommen und umgesetzt werden muss. Problematisch ist, dass weder Charismatiker noch pfingstlerische Kirchen mit an Bord sind, die mit aggressiven Formen der Mission etwa in Südamerika sehr erfolgreich sind. So gibt es zum Beispiel Berichte aus Brasilien, dass solchen Gruppen das persönliche Bekenntnis zu Jesus Christus und die so genannte Geist-Taufe wichtiger sind als jedes soziale Engagement. Religiöse Vielfalt wird von solchen christlichen Enthusiasten, deren Gottesdienste meist einer religiösen Show ähneln, als Bedrohung wahrgenommen. Andere Glaubensrichtungen werden ebenso bekämpft wie etwa Homosexuelle.
Zudem gibt es kleine, fundamentalistisch ausgerichtete Missionsgruppen, die demonstrativ in muslimisch geprägte Länder gehen. Dort ist die Abkehr vom Islam strengstens verboten. Solche meist aus dem westlichen Ausland stammende Christen nehmen damit ihren eigenen Tod, also das Märtyrertum, billigend in Kauf. Christoph Anders, Direktor des Evangelischen Missionswerkes in Deutschland (EMW) lehnt diese Form christlicher Mission strikt ab: "Das gewollte, das herbeigeführte Martyrium ist eine andere Geschichte als die, die einen unerwartet trifft. Hier gibt es Grenzen, und wir hoffen, dass gerade dieser Text auch eine Basis ist, Gespräche mit solchen Missionaren zu vertiefen."
Und Deutschland? Schon lange wird bei sinkenden Mitgliederzahlen der Kirchen davon gesprochen, dass das Ursprungsland der Reformation längst wieder ein Missionsland geworden sei. Aber das sei ein Denken des 19. Jahrhunderts, hierß es auf dem Kongress. Mission sei kein quantitativer Wert, als ginge es um bestimmte Mitgliederquoten. Vielmehr brauche jedes Land das Engagement christlicher Gemeinden gleichermaßen.
"Man kann denken, dass es eine Art Wasserstand gibt. Wenn ein bestimmter Wasserstand noch erreicht ist, dann muss man nicht von Missionsland sprechen, und wenn dieser Wasserstand unterschritten ist, dann läuten die Alarmglocken, dann ist Missionsland", erläuterte EMW-Direktor Christoph Anders. "Diese Figur hat ihre Schwächen, weil sie theologisch nicht berücksichtigt, dass das die Aufgabe für alle Kirchen ist, einzuladen zum Glauben, zu einer glühenden Nachfolge, zu einem liebevollerem Miteinander. Jedes Land ist Missionsland und das ist jetzt auf dem Kongress noch einmal deutlich geworden", bekräftigte Anders.