In dem populären Spielfilm "Heaven Is For Real" (Den Himmel gibt's echt) installiert Pastor Todd Burpo nebenher Garagentüren, weil das Gehalt nicht reicht, das ihm seine evangelikale Gemeinde zahlt. Doch Pfarrer mit Nebenberuf gibt es in den USA nicht nur im Kino: Geschätzte 30 Prozent aller protestantischen Gemeinden in den USA müssten mit einem Teilzeitpastor auskommen, berichtet Robert LaRochelle, Buchautor und selbst Teilzeitgeistlicher in einer kleinen Gemeinde der "United Church of Christ" im Bundesstaat New Hampshire. LaRochelle leitet "nebenbei" eine Beratungsstelle in einer Schule.
Vom Polizisten bis zum Rechtsanwalt - Pastoren hätten alle erdenklichen Zweitjobs, sagt Ray Gilder vom Baptistenverband des Bundesstaates Tennessee. Gilder berät Gemeinden beim Umstieg auf den Teilzeitjob. Das falle nicht leicht, denn viele Gemeinden fühlten sich dabei als Versager. Ein Vorteil des Zweitberufs sei freilich, dass Pastoren mit weltlichen Jobs die Alltagssorgen der Menschen oft besser verstünden, sagt Gilder.
Pastor Sam Livingston von der Highland Baptist Church im 3.500 Einwohner zählenden Hohenwald in Tennessee arbeitet im örtlichen Bauhof. Er habe nie genug Zeit für seine Seelsorger-Aufgaben, klagt Livingston. Es sei schwer, "nicht da zu sein" für Gemeindemitglieder in Notfällen, im Krankenhaus oder nach einem Autounfall. Doch er brauche die zweite Arbeitsstelle, um finanziell über die Runden zu kommen.
"Doppelt berufen"
So "normal" sind Geistliche mit zwei Jobs, dass Kirchen dafür einen beschönigenden Begriff erfunden haben: "Bi-Vocational". Das bedeutet: "Doppelt berufen". Besonders betroffen seien die traditionellen protestantischen Großkirchen wie Methodisten, Presbyterianer, Reformierte, Lutheraner und Anglikaner, sagt Direktor Daniel Aleshire vom Verband Theologischer Schulen. Aus Sicht des Experten hat sich diese Entwicklung seit längerem abgezeichnet. Die sogenannten Mainline-Kirchen litten schon seit Jahrzehnten an Mitgliederschwund, und nun würden "viele Gemeinden zu klein, um sich einen Vollzeitpastor zu leisten".
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In der Evangelischen Lutherischen Kirche in Amerika, der größten lutherischen Kirche in den USA, besuchen den Angaben zufolge in 30 Prozent der Gemeinden weniger als 50 Personen den Sonntagsgottesdienst. Die Mitgliederzahl der lutherischen Kirche sank seit 1988 von über fünf auf rund vier Millionen. Zulauf verzeichnen gegenwärtig nur unabhängige und meist evangelikal und pfingstkirchlich geprägte Kirchen.
Die römisch-katholische Kirche bleibt Dank der Einwanderung zahlenmäßig stabil. Die Zahl der Priester sei in den letzten fünf Jahrzehnten von 59.000 auf etwa 38.000 zurückgegangen, berichtet das katholische Forschungszentrum "Center for Applied Research in the Apostolate" in Washington. 3.500 der rund landesweit 17.500 katholischen Pfarreien hätten gegenwärtig keinen eigenen Pfarrer.
Akademische Pastoren starten verschuldet in den Beruf
Eigentlich haben Teilzeitpastoren Tradition in den USA. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts praktizierten viele Gemeinden in dünn besiedelten Landstrichen zwangsläufig dieses Modell. Doch viele Kirchen erwarten heute Pastoren mit akademischer Ausbildung. Das führe zu finanziellen Problemen, erläutert Aleshire. Die Studiengebühren in den rund 200 angeschlossenen Colleges lägen bei jährlich etwa 15.000 Dollar. Früher hätten die Heimatgemeinden für "ihre Studenten" gezahlt.
Schulden aus dem Studium gelten in den Staaten zwar als normal. Denn die Kosten dafür können gut und gern 50.000 Dollar im Jahr betragen. Reichen aber die Mittel der Eltern nicht, wird der Uni-Besuch mit Darlehen von Banken und vom Staat finanziert. Nach Angaben des Verbandes "Project on Student Debt" haben derzeit 71 Prozent der Uni-Absolventen im Schnitt knapp 30.000 Dollar Schulden. Das trifft auch auf Pastoren mit Hochschulabschluss zu. Die "Nordost-Minnesota"-Synode der lutherischen Kirche berichtet, die "durchschnittliche Verschuldung" betrage "beinahe 60.000 Dollar". Ein Vollzeitpastor verdient in dieser lutherischen Synode im erstem Jahr etwa 33.000 Dollar.
Aleshire rechnet nicht mit einer raschen Problemlösung. Von manchen Studenten wisse er, dass sie gar nicht in etablierten Kirchen arbeiten, sondern "neue Kirchen gründen" wollten. Schließlich bewege man sich in einem "freien Markt", werde dann argumentiert.