"Wir befinden uns in einer Zeit, die durch eine heftige Wiederbelebung religiöser Bezüge geprägt ist", sagte Lammert am Mittwochabend in Berlin. Einfache Antworten auf komplexe Sachverhalte gebe es nicht.
Lammert äußerte sich bei einer Podiumsdiskussion organisiert vom Evangelischen Missionswerks in Deutschland und dem katholischen Hilfswerk missio. Man müsse sich fragen, wie man mit der Instrumentalisierung von Religion für politische Zwecke umgehe, betonte der Bundestagspräsident. Dies sei eine gigantische Aufgabe und eine Verantwortung, der man sich stellen müsse.
Lammert bezog seine Aussagen dabei indirekt auch auf die aktuelle Debatte um mögliche Waffenlieferungen Deutschlands an die kurdische Opposition im Nordirak, um die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) zu bekämpfen. Man müsse sich die Frage stellen, was passiert, wenn man bereit ist zu helfen, sagte der CDU-Politiker. Mit rhetorischen Überlegungen sei es nicht getan.
Schneider: "Mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen leben"
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, begrüßte die Aussagen Lammerts. In einer komplexen Welt könne man nicht mit einfachen Antworten hantieren, sagte Schneider. "Wir müssen lernen, dass wir mit unterschiedlichen kulturellen und religiösen Prägungen leben." Religion sei für die Würde des Menschen entscheidend, betonte Schneider. "Wir sind in der glücklichen Situation auch mit der Politik darüber reden zu können."
###mehr-artikel###
Ähnlich äußerte sich der katholische Prälat Karl Jüsten. Er verwies auf die politischen Reaktionen auf kirchliche Stimmen. "Wir werden in allen Parteien gehört", unterstrich Jüsten. In diesem Zusammenhang nannte er die Stellungnahme der Deutschen Bischofkonferenz zum Kampf gegen die IS-Terroristen. Darin schließen die Bischöfe auch Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak nicht aus. Die Position der Kirchen sei von großer Bedeutung für die Politik, sagte Jüsten. Der Prälat nahm in Vertretung für den kurzfristig erkrankten Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, an der Diskussionsrunde teil.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, Thomas Silberhorn (CSU), betonte die Bedeutung der Zusammenarbeit mit den Kirchen für die Entwicklungshilfe. "Viele Konflikte lassen sich nicht verstehen, ohne die Bezüge zu Religion und zum Glauben zu erfassen", sagte Silberhorn. Gerade die Kirchen seien besonders nah an den Menschen dran, man wolle daher die Zusammenarbeit mit den Kirchen verstärken.
Die Veranstaltung war Teil des Symposiums "MissionRespekt. Christliches Zeugnis in einer multireligiösen Welt". Im Mittelpunkt der Konferenz standen die Bedeutung christlicher Mission sowie die Frage, wie Christen in einer pluralistischen, multireligiösen Gesellschaft ihren Glauben bekennen können. Auch die Gestaltung von Mission in Ländern, in denen dies explizit verboten ist, sollte erörtert werden. Die Tagung mit rund 250 Teilnehmern endet am Donnerstag.
Grundlage der Diskussionen ist das Dokument "Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt", das 2011 vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dem Vatikan sowie der Evangelischen Weltallianz erarbeitet und seither weltweit diskutiert wurde. In Deutschland bildete sich dafür 2013 ein Trägerkreis, in dem Landeskirchen, die Evangelische Allianz, Freikirchen, die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, die katholische Kirche und Missionswerke vertreten sind. Bis zum Reformationsjahr 2017 soll eine gemeinsame Erklärung erarbeitet werden.