In Indonesien geht die Angst vor der islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat (IS) um, die im Norden des Iraks im Namen Allahs Furcht, Schrecken und Tod verbreitet. IS, so die Befürchtung der indonesischen Sicherheitsbehörden und der Regierung, könnte auf Indonesien übergreifen, um durch eine Terrorwelle das Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil heim ins islamische Kalifat zu holen. Präsident Yudhoyono hat inzwischen mit Unterstützung der großen islamischen Massenorganisationen die Verbreitung der Lehren der IS verboten und IS zur Terrororganisation erklärt.
Mit dem Verbot reagierte Jakarta auf ein Youtube-Video, indem der in Indonesien steckbrieflich gesuchte Terrorist Bahrum unter seinem Kampfnamen Muhamad al-Indonesi seine Landsleute auffordert, sich IS anzuschließen. Der IS agitiert längst nicht mehr nur in den sozialen Internetnetzwerken. "IS ist bereits mit in einem Büro in Jakartas Schwesterstadt Bekasi präsent und kann sich auf einheimische Gruppen wie Hizbut Tahrir Indonesia verlassen, die ebenso ein islamisches Kalifat errichten wollen", sagt Luthfi Assyaukanie, Gründungsmitglied des Netzwerks "Liberaler Islam" und stellvertretender Direktor der Denkfabrik Freedom Institute in Jakarta. Die Erfolge des IS-Kalifen könnten auch dem in den letzten Jahren erfolgreich bekämpften indonesischen Terrorismus neue Kraft geben, warnt Luthfi.
Terrorgefahr aus drei Richtungen
Die Bestrebungen islamischer Gruppen, aus Indonesien einen islamischen Staat zu machen, haben weit zurückreichende Wurzeln. Nur mit Mühe war es bei der Unabhängigkeit Indonesiems 1945 Jahren Indonesiens erstem Präsidenten Suharto gelungen, den säkularen Status des Landes in der Verfassung zu verankern. Der säkularen Staatsauffassung blieb auch Suharto treu, auch wenn der Diktator es während seines 30-jährigen Regimes sonst mit Recht und Gesetz nicht so genau nahm. Radikale islamische Organisationen wurden ebenso unterdrückt und verfolgt, ihre Anhänger ins Gefängnis gesteckt wie die anderer politisch unbequemer Bewegungen. Mit der Demokratisierung Indonesiens nach dem Sturz Suhartos wurden auch die islamistischen Gruppen wieder sichtbarer, mutiger und aktiver.
Die Terrorgefahr droht Indonesien aus drei Richtungen: von inhaftierten Terroristen, von Terrorzellen im Untergrund und von den indonesischen IS-Kämpfern im Irak. Mindestens 60 Indonesier kämpfen nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden bereits mit der IS-Miliz im Irak und in Syrien. Experten gehen davon aus, dass diese Kämpfer eines Tages Terrorgruppen in Indonesien gründen werden. "Wir werden uns auf den Fall ihre Rückkehr vorbereiten", sagte vor kurzem Indonesiens Polizeichef General Sutarman und fügte hinzu: "Es besteht die Möglichkeit, dass sie sich in der Zukunft an terroristischen Aktivitäten in Indonesien beteiligen, wie es auch die Indonesier getan hatten, die sich (von den späten 70er Jahren an) den Mujahedin in Afghanistan angeschlossen hatten."
Anfang August schickte Abu Bakar Bashir eine Schockwelle durch Indonesien. Zusammen mit 24 weiteren zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Terroristen legte der Terroristenführer im Gefängnis Pasir Putih in Zentraljava einen Treueeid auf die Fahne des IS ab. Helfershelfer verbreiteten anschließenden Fotos der makabren Zeremonie im Internet. Abu Bakar Bashir gilt als Drahtzieher des Bombenattentats von Bali. Zu fünfzehn Jahren Haft wurde Bashir jedoch wegen der Gründung einer Terrorzelle in Aceh verurteilt.
Gefahr Nummer drei sind jene kleinen Terrorzellen, die im indonesischen Untergrund leben, vor allem auf Java und in Indonesiens islamischster Provinz Aceh. Diese können sich auf ein Netz von Unterstützern und Sympathisanten verlassen. Nach Ansicht von Experten ist dabei der Übergang von Terrorgruppen zu den vielen militanten islamistischen Organisationen, die mit Gewalt islamische Moral durchsetzen wollen, fließend.
Der IS sucht auch Frauen für die Kämpfer im Irak
Die Indonesier wissen, was Terror bedeutet, wie sehr der Kampf gegen den Terror ihr Alltagsleben beeinflusst. Seit den beiden blutigen Bombenattentaten von Bali, den Anschlägen auf Hotels und Botschaften in Jakarta wird vor allem in der indonesischen Hauptstadt Sicherheit groß geschrieben. Der Weg in die mondänen Shopping Malls führt durch Sicherheitskontrollen und Metaldetektoren, wie man sie von Flughäfen kennt. Die Luxushotels gleichen von Außen Hochsicherheitstrakts. Schwer bewacht sind auch Regierungseinrichtungen, Firmenzentralen und Botschaften.
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Wie berechtigt die IS-Angst ist zeigen in den letzten Tagen die Verhaftungen von mutmaßlichen IS-Aktivisten auf den Molukken sowie in Malang und Bekasi auf Java. Alle drei Regionen gelten als Hotspots ultrakonservativer bis militanter islamischer Gruppen. "Mir liegen Berichte über Aktivitäten eines IS-Netzwerks im Regierungsbezirk Malang vor", sagte Bezirkschef Rendra Kresna am 5. August gegenüber der indonesischen Nachrichtenagentur Antara.
Am 10. August wurde in Bekasi Afif Abdul Majid, ein Mitglied der extremistischen islamischen Organisation Jamaah Ansharut Tauhid (JAT), verhaftet. Afif wird verdächtigt, eine führende Rolle bei der Finanzierung eines paramilitärischen Trainingslagers in Aceh von Gruppen mit Verbindungen zu den Terrornetzwerken Al Kaida und IS zu spielen. "Wie Abu Bakar Bashir hat Afif seinen Beitritt zum IS erklärt", sagte ein Polizeisprecher gegenüber indonesischen Medien. Die vom US-Außenministerium als Terrororganisation eingestufte JAT ist aus der Jemaah Islamiyah (JI) hervorgegangen, die 2002 für den Bombenanschlag von Bali verantwortlich war. Abu Bakar Bashir war Mitbegründer der JI und gilt als Oberhaupt der JAT. Mitglieder der JAT verübten 2011 Selbstmordanschläge auf eine Kirche in Zentraljava sowie eine Moschee in Westjava.
Für Entsetzen sorgen derzeit in Indonesien Flugblätter, mit denen Frauen als "Sexsklavinnen" für IS-Kämpfer im Irak angeworben sollen. Die Flugblätter wurden in den vergangenen Tagen auf dem Campus der staatlichen Islamischen Universität in Tangerang in der Nähe von Jakarta als auch in der Moschee der Universität verteilt. In den Flugblättern wurden interessierte Frauen aufgefordert, sich bei einem IS-Sekretariat zu melden, das sich auf dem Gelände der Universität befinden soll. Wer wirklich hinter der Flugblattaktion steckt ist noch unklar. Nach Ansicht von Universitätsrektor Sudarnoto könnten die Flugblätter jedoch Teil einer Kampagne zur Spaltung der Nation sein. Gegenüber indonesischen Medien sagte Sudarnoto: "Das ist eine Form des Terrors in einer Anfangsphase. Es könnten mehr und grausamere Terrorformen folgen. Betrachtet das als eine frühe Warnung."