Kirchen rufen zur Hilfe für Verfolgte im Nordirak auf

Kirchen rufen zur Hilfe für Verfolgte im Nordirak auf
Angesichts der brutalen Verfolgung von Minderheiten im Nordirak haben die Kirchen zu humanitärer Hilfe und zur Aufnahme von Flüchtlingen aufgerufen.

Papst Franziskus forderte angesichts der Gewalteskalation durch die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) internationale Bemühungen um eine politische Lösung. Mehrere deutsche Bischöfe riefen dazu auf, mehr Flüchtlinge aus dem Irak und aus Syrien aufzunehmen. Politiker und Menschenrechtler appellierten an die Bundesregierung, Soforthilfe für die verfolgten Christen und Jesiden in die Wege zu leiten.

"Kinder, die auf der Flucht an Hunger und Durst sterben, entführte Frauen, abgeschlachtete Menschen, Gewalt aller Art, Zerstörung überall", rief der Papst am Sonntag beim Angelusgebet auf dem römischen Petersplatz aus: "All dies beleidigt zutiefst Gott und die Menschheit." Krieg dürfe nicht im Namen Gottes geführt werden. An die internationale Gemeinschaft appellierte er, eine politische Lösung zu finden, die den Verbrechen Einhalt gebiete und die Herrschaft des Rechts wieder herstelle.

Dröge: "Die Situation im Irak ist grauenvoll"

Der Berliner evangelische Bischof Markus Dröge sagte am Samstag im RBB-Rundfunk: "Die Situation im Irak ist grauenvoll. Wenn wir nur 20.000 Flüchtlinge aus dem syrischen Raum aufnehmen, dann ist das einfach zu wenig". Zugleich verteidigte Dröge die militärischen Angriffe der USA auf den Irak. Es sei vielleicht die einzige Möglichkeit, den verfolgten Christen und Jesiden dort zu helfen.

Der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, rief zu mehr Hilfsanstrengungen für die Opfer des islamistischen Terrors auf, die ohne Lebensmittel und Schutz in die Berge fliehen mussten. "Es bahnt sich eine humanitäre Katastrophe biblischen Ausmaßes an, wir dürfen dabei nicht zusehen", sagte der Bischof. Er rechnet damit, dass die in Europa und damit auch in Deutschland ankommenden Flüchtlinge auf lange Sicht nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. "Wir sind als Christen aufgerufen, ihnen Schutz und neue Heimat zu bieten", sagte Fürst.

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Ein breites Bündnis aus Politikern, Menschenrechtlern und Religionsvertretern forderte am Sonntag die Bundesregierung zu humanitärer Soforthilfe für die im Irak verfolgten Minderheiten auf. "Der Vormarsch der radikal-islamischen Terrororganisation 'Islamischer Staat' (IS) bedroht das Leben Zehntausender Menschen im Irak", zitierte die Zeitung "Die Welt" (Onlineausgabe) aus einem ihr vorliegenden Offenen Brief. Christen und Jesiden stünden einem drohenden Völkermord gegenüber. Zehntausende Flüchtlinge benötigten dringend Wasser, Essen und Medizin. Es drohe eine humanitäre Katastrophe.

Zu den Unterzeichnern gehören der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer, der CDU-Parlamentarier Heribert Hirte, die Linkspartei-Abgeordente Ulla Jelpke, Abgeordnete aus mehreren Landtagen sowie Vertreter armenischer, jesidischer, jüdischer und alevitischer Organisationen sowie von Menschenrechtsorganisationen.

Telim Tolan, der Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, appellierte ebenfalls an die Bundesregierung, ihre Hilfe für die verfolgten Jesiden im Nordirak auszubauen. "Wir bitten die Bundesregierung, dass sie ihr technisches Know-How, ihre Logistik, Lebensmittel und ihre finanziellen Mittel zur Verfügung stellt", sagte Tolan der "Welt". Vor allem die Flüchtlingslager in den autonomen kurdischen Gebieten und in der Türkei seien auf Soforthilfe angewiesen.

Tolan gab sich zuversichtlich, dass die amerikanischen Luftschläge dazu beitragen werden, die Situation der in der Shingal-Region eingekesselten Jesiden zu verbessern. "Die Luftangriffe zeigen Wirkung", sagte Tolan. Es seien Korridore entstanden, durch die schon 10.000 bis 20.000 Menschen aus den Bergen hätten fliehen können.

Das katholische Hilfswerk missio mahnte den Einsatz einer internationalen Friedenstruppe an. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte das Hilfswerk, "schnellstmöglich die Bedingungen zur Einrichtung einer multidimensionalen UN-Friedenstruppe zum Schutz der Zivilbevölkerung im Nordirak zu prüfen", wie missio-Präsident Prälat Klaus Krämer am Sonntag in Aachen mitteilte. Außerdem solle die Bundesregierung unverzüglich Maßnahmen für humanitäre Hilfe auf den Weg bringen und zeitweilig irakische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen.

Vor der brutalen Gewalt der IS-Milizen sind über eine halbe Million Menschen im Nordirak auf der Flucht. Die radikal-sunnitische Terrorgruppe verfolgt vor allem Christen, Schiiten und Jesiden, aber auch moderate Sunniten. Die USA setzten am Wochenende ihre Luftangriffe auf Stellungen der IS fort. US-Präsident Barack Obama hatte die Angriffe aus der Luft und zeitgleich den Abwurf von Hilfsgütern für Flüchtlinge angeordnet, um US-Einrichtungen in der Stadt Erbil zu schützen und einen Völkermord an Jesiden zu verhindern.