Theologen streiten weiter über EKD-Reformationspapier

Theologen streiten weiter über EKD-Reformationspapier
Die theologische Auseinandersetzung über das jüngste Papier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Rechtfertigungslehre geht weiter.

Auf der Internetseite "evangelisch.de" bezeichnete der Tübinger Kirchenhistoriker Volker Leppin katholische Forderungen, die Reformationsfeiern 2017 zu boykottieren, als grotesk und abenteuerlich. "Man will es kaum glauben", schreibt Leppin in dem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag. Die "einmalige Gelegenheit", 500 Jahre nach Beginn der Reformation ein gemeinsames Christusfest zu feiern, dürfe man "nicht ungenutzt vorübergehen lassen".

###mehr-artikel###

Leppin gehört zu den Autoren des im Mai veröffentlichten EKD-Dokuments "Rechtfertigung und Freiheit". Darin werden die theologischen Grundlagen der Reformation aufgezeigt, vor allem die Rechtfertigungslehre von Martin Luther (1483-1546). Von katholischer Seite wurde daraufhin moniert, der Text ignoriere die ökumenischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte. Das EKD-Papier versuche, zentrale Einsichten der Reformatoren "unhistorisch zu instrumentalisieren", kritisierte der Paderborner Theologe Wolfgang Thönissen. Er rief die katholische Kirche auf, alle Einladungen zu gemeinsamen Reformationsfeierlichkeiten zurückzuweisen. Thönissen leitet das katholische Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik.

Der evangelische Theologe Leppin sieht in dem Text hingegen eine der "souveränsten ökumenischen Gesten der vergangenen Jahre". Diese würde durch einen Boykott der Feiern "schlicht ignoriert, die ausgestreckte Hand nicht ergriffen werden". Thönissen demontiere mit seinen Äußerungen das "vorsichtige Gleichgewicht", das Katholiken und Lutheraner in der 1999 unterzeichneten Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre gefunden hätten. "So wird das ökumenische Rad rückwärts gedreht", schreibt Leppin, und eine "Theologie des Misstrauens wiederbelebt, die den anderen nicht mehr anders sein lassen kann".

Hintergrund des Streits ist die theologische Grundfrage Luthers, wie der Mensch gerechtfertigt werden kann, also Gnade vor Gott findet. Nach evangelischer Auffassung hat der Mensch keinen freien Willen und ist unabhängig von eigenen guten Werken ganz auf die rettende Gnade Gottes angewiesen. Diese Haltung hat sich bereits das katholische Konzil von Trient (1545-1563) weitgehend zu eigen gemacht. Entsprechend heißt es auch in der Erklärung von 1999, Rechtfertigung geschehe allein aus Gnade. Allerdings gibt es bleibende Unterschiede zwischen den Konfessionen in der Bewertung der Neigung zur Sünde.