Punkladies, Protest und Putins langer Arm

Punkladies, Protest und Putins langer Arm
"Heilige Mutter, gesegnete Jungfrau, vertreibe Putin": In der wichtigsten russisch-orthodoxen Kathedrale protestieren junge Frauen auf bizarre Art. Doch aus dem Spaßauftritt wird Ernst: Es droht Haft.
26.03.2012
Von Benedikt von Imhoff

An drei jungen Frauen will Russland offenbar ein Exempel statuieren. Mit Handschellen und in Käfigen eingesperrt - wie Schwerverbrecher führt die Justiz die Mütter den Medien vor. Ihr Vergehen: Sie sollen im Heiligtum der einflussreichen orthodoxen Kirche ein schrilles Lied gegen den künftigen Präsidenten Wladimir Putin gesungen haben. Wegen Rowdytums drohen ihnen nun bis zu sieben Jahre Haft.

Eine Verurteilung wird nach Ansicht von Experten immer wahrscheinlicher: Kirchenoberhaupt Kirill kritisiert in seiner ersten Stellungnahme die mutmaßlichen Mitglieder der Punk-Band Pussy Riot mit harschen Worten. "Der Teufel lacht über uns alle", sagt Patriarch Kirill. Einflussreiche Kirchenvertreter sprechen im Zusammenhang mit der Performance sogar von "Extremismus" - dann wäre sogar eine noch härtere Strafe möglich. Der Text des "Punk-Gebets" habe Hass gegen die Kirche geschürt, meint Synodenmitglied Wsewolod Tschaplin.

Mit Strickmützen maskiert

"Heilige Mutter, gesegnete Jungfrau, vertreibe Putin", heißt es in dem Text, den fünf mit Strickmützen maskierte Frauen auf dem Altar der Christi-Erlöser-Kathedrale in Moskau gesungen hatten. Allein der Auftritt war eine klare Provokation. Hinzu kam der Zeitpunkt kurz vor der Präsidentenwahl, bei der Putin sich zum dritten Mal in den Kreml wählen ließ. Nach der Aktion stellt sich im größten Land der Erde die Frage nach der Position der orthodoxen Kirche. Patriarch Kirill zeigt offen Unterstützung für Putin - der Ex-Geheimdienstchef gewährt der Kirche im Gegenzug viele Freiheiten.

Eine der beteiligten Künstlerinnen sitzt während einer Anhörung im Käfig.

Gerade auf diese enge Verbindung wollte Pussy Riot mit dem bizarren Konzert hinweisen. Der Vorfall zeige, dass die Kluft zwischen Gesellschaft und Kirche wachse, sagt Xenia Lutschenko vom orthodoxen Internetblog PravMir. Beobachter hegen den Verdacht, dass die Justiz absichtlich hart gegen die jungen Frauen durchgreift, um der Kirche zu schmeicheln, und Forderungen ignoriert, die Untersuchungshaft zumindest in einen Hausarrest umzuwandeln. Vor allem weltoffene Russen sind empört: Die Frauen würden mit Mördern und Vergewaltigern auf eine Stufe gestellt.

Kritische Künstler werden nach Ansicht von Bürgerrechtlern immer wieder politisch verfolgt. Wegen "Aufwiegelung zu religiösem Hass" wurden etwa 2010 zwei Ausstellungsmacher zu hohen Geldstrafen verurteilt. Auch hier hatten Gläubige geklagt, die sich von Bildern wie einer Kaviar-Ikone beleidigt fühlten. Gegen Mitglieder der für ihre radikalen Aktionen bekannten Gruppe Woina (Krieg) verhängten Richter sogar Haftstrafen.

Die Daumenschrauben werden angezogen

Regierungskritiker befürchten nun, dass Putin nach seiner für Anfang Mai geplanten Rückkehr in den Kreml die Daumenschrauben für seine Gegner wieder härter anzieht. In den vergangenen Monaten genehmigten die Behörden mehrere Massenkundgebungen. Zehntausende demonstrierten friedlich gegen die Regierung und für faire Wahlen. Doch der starke Mann Putin versteht die Proteste nach Ansicht von Experten als persönliche Beleidigung. Gegen nicht genehmigte Aktionen greift die Polizei nun umso härter durch. So wurden am Sonntag auf dem Roten Platz am Kreml mehr als 30 Aktivisten der Gruppe Solidarnost festgenommen. Die jungen Leute seien lediglich über den Platz gegangen und hätten Anstecker im Weiß der Opposition getragen, beschwert sich Solidarnost.

Zu Pussy Riot äußern sich weder Putin noch der scheidende Präsident Dmitri Medwedew öffentlich. Aber Putin habe negativ auf den Vorfall reagiert, sagte dessen Sprecher Dmitri Peskow. Noch bevor der Richterspruch gefallen ist, versprach Putin, so ein Vorfall werde sich nie wiederholen. Für Beobachter ist dies ein weiteres Zeichen, dass die Punk-Aktivistinnen bei der obrigkeitshörigen Justiz kaum auf Gnade hoffen dürfen.

dpa