Kardinal Marx: Kirche muss ihre Schuld bekennen

Kardinal Marx: Kirche muss ihre Schuld bekennen
Die Krise infolge des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ist nach Ansicht von Kardinal Reinhard Marx noch nicht überwunden. Das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle habe "nach innen und nach außen" zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der katholischen Kirche geführt, sagte der Münchner Erzbischof am Donnerstag in Rom.

In seinem Vortrag bei dem Kongress "Auf dem Weg zu Heilung und Erneuerung der Kirche", der am Donnerstag zu Ende ging, hielt Kardinal Marx der katholischen Kirche mangelndes Schuldbewusstsein in der Vergangenheit vor.

Marx kritisierte, dass in den vergangenen Jahrzehnten der Schutz der Institution im Vordergrund gestanden habe. Es sei der Versuch unternommen worden, "einer schrecklichen Wahrheit auszuweichen und sie nicht in ihrer ganzen Bitterkeit zu sehen". Dazu habe auch eine verharmlosende und die Tatsachen verwischende Sprache beigetragen. "Es ist festzuhalten, dass die Opfer und ihre Perspektive und ihr Leiden systematisch ausgeblendet waren."

Gesetzgebung ist kein Eingriff in kirchliche Angelegenheiten

Die Bischöfe seien gefordert, sich angesichts des Missbrauchsskandals den Medien und der Öffentlichkeit zu stellen, unterstrich Marx. "Abschottung, Verharmlosung und Relativierung führen nicht zum Ziel, neue Glaubwürdigkeit zu gewinnen." Es gebe daher keine Alternative zu Offenheit, Transparenz und Wahrhaftigkeit. Darüber hinaus sagte Marx: "Es muss grundsätzlich klar sein, dass Kirche und Staat in diesen Fragen eng zusammenarbeiten und die staatliche Gesetzgebung nicht als Einmischung in innerkirchliche Angelegenheiten verstanden wird."

Der katholische Theologe betonte, die Krise müsse aber auch als Chance für geistliche Erneuerung begriffen werden: "Es muss neu sichtbar werden, dass die Kirche für die Menschen da ist und besonders für die Kleinen, die Armen und die Schwachen." Insbesondere müsse die katholische Kirche ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, in der Bildung und bei der Familienförderung neu ausrichten.

Aufgabe der Kirche sei der Schutz und die Förderung des Lebens der Kinder, betonte der Kardinal. Wenn die Kirche dies in den Mittelpunkt ihres Interesses stelle, dann sei das ein entscheidender Beitrag für einen Neuaufbruch der Kirche. "Dann kann die Kirche dieser Jahre auch Ausgangspunkt zu Heilung und Erneuerung der Kirche für die Zukunft sein", sagte der Erzbischof.

Warnung vor Gleichgültigkeit

Mit Blick auf Missbrauchsfälle warnte Marx vor Nachlässigkeiten in der Verwaltung und Gleichgültigkeit gegenüber dem Kirchenrecht: "Die Erfahrungen zeigen eben, dass ein Verfall der kirchlichen Verwaltung bis in die Aktenführung hinein, eine Missachtung des Kirchenrechts und der Disziplin und eine Vernachlässigung der Qualitätskontrolle zu außerordentlich unerwünschten Folgen führen."

Seit Montag haben Kirchenvertreter aus 110 Ländern und von 30 Orden an der Päpstlichen Gregoriana-Universität über den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger beraten. An der Konferenz, die von der Universität zusammen mit Vatikanbehörden veranstaltet wurde, nahm aus Deutschland neben Marx auch der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, teil.

epd