Nach den Massenprotesten gegen Fälschungen bei der Parlamentswahl in Russland hat die einflussreiche russisch-orthodoxe Kirche die Regierung zum Dialog mit den Demonstranten aufgerufen. Die Führung in Moskau müsse der Gesellschaft zuhören und ihren Kurs korrigieren, appellierte Patriarch Kirill I. in einem Interview des Staatsfernsehens. Das Riesenreich könne sich keine neue blutige Revolution leisten.
Patriarch Kyrill ruft Regierung zu Kurskorrektur auf
Das Oberhaupt warnte eindringlich vor einer Spaltung der Gesellschaft. Es betonte aber auch, dass die Kirche nicht Partei ergreife. In den vergangenen Wochen hatten landesweit Zehntausende für eine Annullierung der Duma-Wahl vom 4. Dezember demonstriert.
"Wenn die Macht ungerührt bleibt vom Inhalt der Proteste, ist das ein schlechtes Zeichen dafür, dass sie unfähig zur Selbstregulierung ist", mahnte Kirill I. in dem am Samstag gesendeten Gespräch. In der Nacht zuvor feierte er mit Kremlchef Dmitri Medwedew in Moskau das Weihnachtfest der Orthodoxen, zu denen sich etwa 60 Prozent der mehr als 140 Millionen Einwohner Russlands bekennen.
Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 hat die Glaubensgemeinschaft ihren Einfluss in der Gesellschaft immer weiter ausgebaut. Der Appell des Patriarchen kommt nur vier Wochen vor einer für den 4. Februar in Moskau geplanten erneuten Großkundgebung der Opposition.
Ex-Finanzminister fordert Wahlleiter zum Rücktritt auf
Vor wenigen Tagen hatte schon Kirchensprecher Wsewolod Tschaplin mehr Raum in Staatsmedien für kritische Stimmen gefordert. Aber prominenten Oppositionsführern wie dem früheren Schachweltweltmeister Garri Kasparow oder Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow traue er keine kreative politische Rolle zu, hatte das Synodenmitglied betont.
Der prominente Ex-Finanzminister Alexej Kudrin forderte den umstrittenen Wahlleiter Wladimir Tschurow unterdessen erneut zum sofortigen Rücktritt auf. Das Misstrauen in den 2007 vom Kreml eingesetzten Funktionär sei zu groß, teilte Kudrin per Twitter mit. Kudrin hatte am 24. Dezember überraschend an einer Großkundgebung in Moskau teilgenommen und sich dabei als Vermittler angeboten.