Für Jutta Eggers aus Lindau am Bodensee ist Car-sharing die selbstverständlichste Sache der Welt: "Es hat ja auch nicht jeder ein eigenes Hallenbad", sagt sie, parkt den Car-sharing-Kleinbus und legt den Schlüssel ins Handschuhfach. "Und durch das Teilen der Wagen teilt sich für mich als Nutzerin auch die Verantwortung". Die 49-jährige Sozialpädagogin sieht nur Vorteile: "Wenn etwas am Auto kaputt ist, gebe ich den Schlüssel ab und muss mich nicht weiter drum kümmern."
Wie bewegen wir uns in Zukunft? Die Trendforscher des Zukunftsinstituts Kelkheim prognostizieren in ihrer Studie "Zukunft der Mobilität 2030" einen Mentalitätswandel und das Ende des Kulturmodells Massenmotorisierung. Ihre These: "Nutzen wird wichtiger als Besitzen."
Schwelle zu einem neuen Mobilitätszeitalter
"Wir stehen an der Schwelle zu einem neuen Mobilitätszeitalter", sagt Thomas Huber, Co-Autor der Studie. Bisher sei Mobilität vor allem motorisierte Individualmobilität gewesen. "Jedem sein Auto, jeder fährt, wann und wo er will." Dieses Modell stoße jedoch angesichts zunehmender Verkehrsprobleme an Grenzen, gerade in den aufstrebenden Megastädten der Schwellenländer.
Wieland Ratz, Vorsitzender des CarSharing am Bodensee e.V. (45) aus Friedrichshafen und Jutta Eggers (49) aus Lindau am Bodensee sind seit einigen Jahren begeisterte Carsharing-Nutzer. Foto: epd-bild/Hanna Spengler
Doch auch in der ländlichen Bodenseeregion findet das Car-sharing viele Anhänger. Rund 200 Nutzer aus Firmen und Privathaushalten teilen sich 16 Autos. "Am Anfang wog der ökologische Gedanke sehr stark", sagt Wielant Ratz vom Verein "CarSharing am Bodensee". Heute habe das "Sharing" für viele Nutzer einen pragmatischen Grund. Für Rentner, Studenten, Vielreiser und Gelegenheitsfahrer biete das Modell eine Möglichkeit, mobil zu sein, ohne dabei den Kostenfaktor Auto alleine tragen zu müssen.
Gefragt seien vernetzte Konzepte, sagen auch die Kelkheimer Zukunftsforscher. Konzepte, die mehr Flexibilität und Individualität im Massenverkehr ermöglichen - abseits vom eigenen Mittelklassewagen.
Neue Konzepte basieren auf sozialen Netzwerken
Gewachsene Netzwerke und individuelle Lösungen sind auch bei der Zustellung von Paketen durch die DHL im Gespräch. Das Pilot-Projekt "my.ways", das voraussichtlich in diesem Jahr außerhalb Deutschlands getestet werde, sei ein Konzept, das auf sozialen Netzwerke beruhe, sagt Dunja Kuhlmann, Pressesprecherin der Deutschen Post. Es ginge dabei um eine zusätzliche Zustelloption für Pakete in großen Städten.
Die Idee: Sobald das Paket im DHL-Servicepoint ankommt, kann der Empfänger es als "my.ways-Paket" kennzeichnen. Daraufhin könnten die vorher registrierten Boten, sogenannte "my.wayer", ein solches Paket mitnehmen und dem Empfänger auf dem für sie günstigsten Weg zustellen. Dabei erfolgt die gesamte Kommunikation zwischen Boten und Empfängern über soziale Plattformen.
Was für Pakete gilt, gilt auch für das individuelle Vorankommen, meint Zukunftsforscher Thomas Huber: "In Zukunft werden wir unterwegs entscheiden, welches Verkehrsmittel das passende ist, werden unser Gepäck abgeben oder parallel schicken, Fahrpläne und Umstiege spontan abrufen und entscheiden." Die "Fixierung auf ein Fortbewegungsmittel" gelte dann nicht mehr.
"Globale Dynamik, rasender Stillstand, gereifter Fortschritt"
Voraussetzung sei ein Mentalitätswandel. "Wir müssen uns in unserer Mobilität mehr helfen lassen und damit einen Teil unserer gefühlten Souveränität abgeben", sagt er. Dabei sei es schon jetzt ein langfristiger Trend, dass der Eigentumswunsch beim Auto zurückgehen: "Wir brauchen unser Auto nur punktuell, warum also zahlen - für ein Objekt, das zu 90 Prozent ungenutzt bleibt, hohe Folgekosten verursacht und drastisch an Wert verliert?" Und als Statussymbol hat das Auto bei vielen jungen Menschen schon länger ausgedient.
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Das Institut für Mobilitätsforschung, eine Forschungseinrichtung von BMW, skizziert in ihren Zukunftsprognosen für 2030 drei Szenarien: "Globale Dynamik", "rasender Stillstand" und "gereifter Fortschritt". Der eigene Wagen wird demnach auch 2030 als "automobiles Leitbild" vor allem in strukturschwachen ländlichen Regionen die Zukunft prägen. Gleichzeitig aber werde die durchschnittliche Zahl der Pkw pro deutschem Haushalt 2030 gesunken sein.
Aber eines ist allen Zukunftsszenarien gemeinsam: Egal mit welchem Verkehrsmittel, Mobilität wird 2030 genauso wichtig sein wie heute. Auch wenn sich Mobilität in der Mitte der Gesellschaft meist in regelmäßigen Pendelbewegungen zwischen Arbeitsstelle und Wohnung erschöpft: "Wer nicht ausgeschlossen werden, sondern dazugehören will, muss mobil sein oder doch zumindest Mobilität inszenieren können", urteilt Markus Schroer, Soziologieprofessor an der Philipps-Universität Marburg.