Nebenan lief immer die Musik, nebenan, das war im Zimmer meines Sohn Lukas, 18. Ich schrieb an meiner ersten Erzählung, Zitterpartie. Es ging um meine Krankheit, Parkinson, um die DDR, um Liebe. Manchmal zitterte ich, weil Parkinson dafür sorgte, manchmal aber war es die Musik aus dem Nachbarzimmer, die dafür sorgte.
Lukas hörte Prinz Pi, mich störte Prinz Pi, der Berliner Rapper. Aber er störte nur, bis ich richtig hinhörte. Ich hörte genauer hin, noch genauer. Und war begeistert. Da waren Texte voller Poesie und Dramatik, Texte aus dem Sehnsuchtsland, das in uns ist. "Der Druck steigt", das ist der Text, der meinen eigenen Gefühlen entspricht. Druck, Lebensdruck. "Ein Sternenhimmel aus bunten Neonreklamen / Kaltes Licht, kaltes Ich, Seele in Zellophan / Druck ist groß, Brust ist schwer, denk mich weg, saug ihn ein, den Geruch vom Meer".
Und so nahm ich einige Zeilen auf in meine Erzählung. Irgendwann hat Sohn Lukas das Prinz Pi - echter Name Friedrich Kautz - geschrieben, ich schickte das Buch mit Widmung. Danke für deine Lieder. Wenig später schickte mir Lukas einen Link. Prinz Pi im Interview (ab1:38 min über Stefan Berg). "Ein starkes Buch", sagt er über "Zitterpartie", "ein gutes deutsches Buch und das gibt es ja wie gute deutsche Musik nicht so oft." Danke, dachte ich. Hat mich gefreut, logisch. Mein Sohn Lukas, Prinz Pi und Prinz Parki. Scheißkrankheit, aber trotzdem ein Anfang. Sonntag gehe ich ins Konzert. Prinz Pi live.
Der Auszug aus "Zitterpartie" von Stefan Berg:
"Kaltes Licht, kaltes Ich, Seele in Zellophan. Druck ist groß, Brust ist schwer, denk mich weg." Prinz Pi. Ihr Sohn hatte es an die Wand gesprayt. Sie hatte es gelesen, aber nicht verstanden. Sie hatte doch alles für ihn getan. Manchmal hatte sie ihn bei einer Freundin gelassen und nicht gesagt, wohin sie fährt. Jetzt verstand sie. Er zeigte auf seinen Schreibtisch, auf dem lauter beschriebene Zettel lagen, wie Puzzlesteine, mit Pfeilen, Namen und Kreisen. Sie erschrak. Warum hatte sie diese Blätter nicht besser weggeschlossen?
Dann zeigte er auf seinen Computer. Im Internet war er auf den Namen seines Vaters gestoßen. Von dem rätselhaften Tod eines Polizisten war da die Rede. Die Worte auf den Zetteln passten dazu, sie waren wie Passwörter zur Vergangenheit. Dann hatte er die Fragen gestellt. Worte voller Wucht. Sie rang nach Luft. Druck ist groß, denk mich weg."
"Der Druck steigt" von Prinz Pi:
Stefan Berg, Vater von vier Kindern, Redakteur beim "Spiegel", war 44, als er im Herbst 2008 an Parkinson erkrankte. Das Buch "Zittpartie" ist in der edition chrismon erschienen.