Was hat Sie dazu bewegt, die großen Religionen der Welt testen zu wollen?
Stefan Kuzmany: Es gab zwei existenzielle Erfahrungen für mich. Erstmal die Geburt unseres Sohnes. Wenn er uns eines Tages mal fragt, woher wir alle kommen und wohin wir alle gehen, hätten wir gerne eine Antwort. Meine Tante wollte, dass wir unseren Sohn taufen lassen. Meine Frau und ich haben uns gefragt: Warum sollten wir das tun? Und die Gründe waren immer die falschen: Weil die Familie das will oder damit er einen Kindergartenplatz bekommt. Die zweite Erfahrung war, dass mein Vater gestorben ist. Da fände ich es natürlich ganz schön, zu wissen, er ist jetzt irgendwo, wo es ihm gut geht und er nicht einfach nur weg ist.
Hätte es nicht gereicht, ein Buch darüber zu lesen? Warum dieser Selbsttest?
Kuzmany: Das hängt mit meinem Beruf zusammen. Ich bin Journalist, das heißt ich bin neugierig. Man kann sich Religionen nur nähern, wenn man dorthin geht, wo sie gelebt werden. In Moscheen, Kirchen, Synagogen und ähnlichem. Ich bin aber realistisch: Es ist natürlich nicht möglich, auf 250 Seiten sich den Religionen auch nur auf Sichtweite zu nähern. Das wäre anmaßend. Auch, wenn ich das Ganze unterhaltsam beschreibe, nehme ich das Thema doch ernst.
Alle Religionen und Glaubensrichtungen bekommen ihr Fett weg. Sie besuchen gleich am Anfang Ihres Buches eine Moschee in Berlin, in der ausgerechnet der umstrittene Konvertit Pierre Vogel predigt. Sie widmen sich auf sehr ironische Weise dem Islam. Haben Sie keine Befürchtungen, dass Sie nach dem Erscheinen des Buches angefeindet werden?
Kuzmany: Man weiß es ja nie. Ich mache mich aber nicht lustig über die Religion. Ich versuche darzustellen, was ich erlebt habe. Das hat einen ganz anderen Charakter als beispielsweise die Mohammed-Karikaturen. Mein Buch ist eine Art heitere Beschreibung. Ich sage ja auch nicht, dass das alles Blödsinn ist. Jeder kann glauben, was er möchte.
Können Sie denn nachvollziehen, dass sich Gläubige verletzt fühlen?
Kuzmany: Sie nehmen da etwas vorweg, was noch nicht geschehen ist. Da kommt es darauf an, weswegen sich jemand verletzt fühlt. So pauschal lasse ich das nicht gelten.
"Ich habe
einige Zeit in einem
Missverständnis gelebt"
Sie selbst sind evangelisch aufgewachsen und schreiben "Ich habe meinen Glauben verloren". Wie ist es dazu gekommen?
Kuzmany: Ich bin nicht morgens aufgewacht und hatte plötzlich keinen Glauben mehr. Ich habe einige Zeit in einem Missverständnis gelebt, das, denke ich, ziemlich weit verbreitet ist. In der Zeit nach der Konfirmation, als mich der christliche Glaube sehr fasziniert hat, hatte ich einen Handel mit Gott: Ich lege ein Wohlverhalten an den Tag und dafür habe ich gute Noten und finde endlich eine Freundin. Das war natürlich Unsinn, so funktioniert das nicht. Dann bin ich zum Studium weggezogen und die Bindung zur Gemeinde hat sich aufgelöst. So ist das eingeschlafen. Mein Glaube ist einen sanften Tod gestorben.
Der Buddhismus war aber auch nicht Ihr Ding. All diese Fremdwörter und Untergruppen. War Ihr Hauptproblem dabei wirklich, dass Ihnen immer die Füße in dem speziellen Sitz beim Meditieren eingeschlafen sind?
Kuzmany: Nichts gegen den Buddhismus. Das ist höchstwahrscheinlich eine ganz tolle Religion. Ich sage höchstwahrscheinlich, weil ich mich dem Buddhismus nur so weit annähern konnte, wie es hier angeboten wird. Wenn man in der westlichen Welt diesen Glauben kennen lernen möchte, findet man eher eine Lifestyle-Geschichte als Erleuchtung.
Sie sind in Ihrem Selbsttest auch zu den Scientologen gegangen. Hatten Sie dabei keine Bedenken? Immerhin haben Sie behauptet, Sie seien Soziologiestudent statt Journalist.
Kuzmany: Ich betone in diesem Kapitel immer wieder, dass ich nicht ihre copyright-geschützte Lehre verbreite. Ich gucke mir an, was man dort erlebt.
Bei Scientology haben Sie den Persönlichkeitstest mitgemacht. Haben Sie einen Moment lang überlegt, dass da etwas dran sein könnte, an Ihren so genannten Defiziten?
Kuzmany: Nein. Es wird diese Versuchung geben, sonst würden nicht so viele Leute mitmachen. Wie bei vielen anderen dubiosen Angeboten auch muss derjenige, der das glaubt, wirklich in einer labilen Lage sein. Es war wirklich heftig bei den Scientologen. Die Mitarbeiterinnen kamen immer wieder mit dem gleichen Argumentationsmuster. Sie wollten unbedingt, dass ich einen Kurs buche. Sie haben versucht, mich nach der Art eines Versicherungsvertreters zu überzeugen. Ich würde niemandem raten, dahin zu gehen. Eigentlich ist das Zeitverschwendung. Ich würde aber auch nicht sagen "bloß nicht", das würde denen zu viel Ehre erweisen.
"Ich weiß jetzt
besser Bescheid"
Am Ende handeln Sie alle anderen Glaubensrichtungen, wie Hinduismus oder Mormonentum, in einem Schlagwortregister ab. Ganz ehrlich: Hatten Sie keine Lust mehr, die auch noch zu testen?
Kuzmany: Es ist nicht ganz einfach, sich in all das einzuarbeiten. Jeder, dem ich erzählt habe, dass ich dieses Selbsttest mache, hatte noch fünf Ideen, was ich ausprobieren sollte. Dieses Buch ist zwangsläufig unvollständig, das ist klar.
Sie haben sich all diese Religionen angeschaut und sie ausprobiert. Was glauben Sie jetzt?
Kuzmany: Das ist Privatsache. Ich weiß jetzt besser Bescheid. Aber ich kann jetzt nicht sagen, dass ich Jude oder Moslem oder Buddhist oder wieder Christ werden möchte. Vielleicht kommt das irgendwann, das kann ich nicht ausschließen.
Was machen Sie, wenn Ihr Sohn nachher Ihr Buch liest und sagt: Papa, warum hast du mich nicht einfach getauft, wie deine Tante es wollte, statt auch noch zu Scientology zu gehen?
Kuzmany: Dann werde ich mich mit ihm darüber unterhalten. Er kann sich ja jederzeit selber taufen lassen. Mit diesem Vorwurf rechne ich erstmal nicht.
Stefan Kuzmany (s. Bild oben) ist Journalist und Buchautor. Sein Selbsttest der Religionen "Das können Sie glauben! Die großen Religionen dieser Welt im Selbstversuch" ist im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen.