Der Wissenschaftsrat hat eine stärkere Profilbildung der der Fakultäten empfohlen: Welchen Reformbedarf sehen Sie für die Evangelischen Theologischen Fakultäten im staatlichen Hochschulsystem?
Hans-Michael Heinig: Theologie ist eine besondere Wissenschaft - sie ist glaubensgebundene wissenschaftliche Reflexion religiöser Praxis. Deshalb ist sie vor Übergriffen anderer Wissenschaften oder des Staates zu schützen. Das geschieht durch den Fakultätenstatus. Deshalb will der Wissenschaftsrat - das hat manche überrascht - selbstständige theologische Fakultäten beibehalten; zugleich aber wächst aus vielfältigen Gründen der Druck auf die Theologie, mit anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten, Lehrexport zu betreiben, Drittmittel zu akquirieren, kurz: mehr zu leisten als konventionelle theologische Forschung sowie Lehramts- und Pfarramtsausbildung.
Das führt zu einer Gratwanderung: Einerseits müssen sich theologische Fakultäten entsprechend den Erfordernissen heutiger Universitäten weiterentwickeln können - auch in ihrer rechtlichen Verfasstheit. Andererseits aber darf das nicht dazu führen, dass das, was Theologie zur Theologie macht, der Glaubensbezug, und damit der eigentliche Grund ihres rechtlichen Sonderstatus, verloren geht.
In den Details führt das zu sehr komplizierten Rechtsfragen: Darf eine theologische Fakultät nichttheologische Studienabschlüsse und Doktortitel verleihen? Unter welchen Voraussetzungen? Muss die Kirche zustimmen? Sollten nichttheologische Lehrstühle in den theologischen Fakultäten verortet werden? Die Signale des Wissenschaftsrats sind da zwiespältig. Einerseits sollen die Judaistik und die Religionswissenschaft aus den theologischen Fakultäten ausgegliedert werden, andererseits soll sich die Theologie interdisziplinär vernetzen und profilieren.
"Gefahr, dass die religiös-weltanschauliche Neutralität
und die Religionsfreiheit Schaden nehmen"
Auf katholischer Seite gibt es die Besorgnis, dass sich die Beiratslösung für die Zentren für islamische Studien nachteilig auf die rechtliche Stellung der konfessionellen Fakultäten auswirken könnte. Teilen Sie diese Befürchtung?
Heinig: Der Beirat ist eine Notlösung, eine Verlegenheitskonstruktion, bis sich voll kooperationsfähige und -willige islamische Religionsgemeinschaften ausgebildet haben. Zugleich soll die Einbindung als weniger "orthodox" wahrgenommener Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens im Beirat die Akzeptanz für eine islamische Theologie an staatlichen Universitäten erhöhen. Beide Probleme stellen sich für die bestehenden theologischen Fakultäten nicht.
Problematisch ist also nicht die Rückwirkung des Beirats auf die etablierten Formen der Zusammenarbeit von Staat und Kirchen in Fragen theologischer Forschung und Lehre, sondern der Umstand, dass hier eine Lösung jenseits der traditionellen Pfade gesucht wird: Ohne Mitbestimmung einer klar identifizierbaren Religionsgemeinschaft - mit der Gefahr, dass die religiös-weltanschauliche Neutralität und die Religionsfreiheit Schaden nehmen. Man wird deshalb sehr genau hinschauen müssen, welche Lösung an welchem Standort gewählt wurde. Manche Ausgestaltungen sind so gerade noch für einen Übergang hinnehmbar, andere wären schlicht verfassungswidrig.
Die Bedeutung der Institute ohne Fakultätsstatus ist aufgrund der Studierendenzahlen gestiegen. Muss es angesichts der veränderten religiösen Landschaft zu mehr Kooperation zwischen Instituten und Fakultäten kommen?
Heinig: Der Wissenschaftsrat rät dringend dazu - und hat wohl recht. Die kleineren Institute, meist für die Lehrerausbildung zuständig, haben große Studierendenzahlen zu bewältigen und sollen noch innovativ in der Forschung sein. Sinnvolle Kooperationen können da entlasten und zugleich die Qualität in Forschung und Lehre sichern.
"Theologie gehört zu den Fächern,
die nicht jeden Klamauk der Bologna-Politik
mitgemacht haben"
Wie steht es um die Zukunft der kirchlichen Hochschulen?
Heinig: Solange die Kirchen sie wollen, sind sie rechtlich gesichert. Wenn sie allerdings von der Kirche sehr viel schmaler ausgestattet werden als vom Staat für die theologischen Fakultäten gefordert, verlieren die Kirchen an Glaubwürdigkeit und stellen im Grunde ein Drittel bis die Hälfte der Professuren in den Fakultäten zur Disposition. Wenn die Kirche sich keine gleichwertigen Hochschulen leisten kann, muss sie von ihnen Abstand nehmen. Zudem sichert nur die Universitätsausbildung den Kontakt zu anderen Disziplinen. Die Kirche ist deshalb gut beraten, wenn sie darauf drängt, dass für eine vollwertige theologische Ausbildung nicht ausschließlich kirchliche Hochschulen besucht werden. Für mehr als zwei solcher Hochschulen sehe ich keinen Bedarf.
Wie beurteilen Sie die bisherigen Reformbemühungen im Zuge des Bologna-Prozesses?
Heinig: Die vollzogenen Reformen haben das Theologie-Studium nicht mehr als unvermeidlich in Mitleidenschaft gezogen. Theologie gehört zu den Fächern, die nicht jeden Klamauk der Bologna-Politik mitgemacht haben, und steht deshalb in Bezug auf die Studienbedingungen besser dar als andere Geisteswissenschaften.
Prof. Dr. Hans Michael Heinig lehrt an der Georg-August-Universität Göttingen Öffentliches Recht, insbesondere Kirchen- und Staatskirchenrecht. Er ist Geschäftsführender Direktor des Instituts für Öffentliches Recht uns Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD.