Gläubig auf Probe: "Es lohnt sich"

Gläubig auf Probe: "Es lohnt sich"
Seit vier Jahren ist der ehemalige ARD Morgenmagazin-Moderator und Korrespondent in New York, Sven Kuntze, im Ruhestand. Doch ruhig ist es um den 69-Jährigen nicht geworden. Nach zwei Fernsehdokumentationen und einem Buch hat er sich nun auf die Suche nach Gott gemacht. Ein dreiviertel Jahr war er für die WDR-Reportage "Gläubig auf Probe" unterwegs. Begleitet wurde er dabei teilweise von Co-Autor Ravi Kamalker und einem Kamerateam. Außerdem hat an der Dokumentation die Filmemacherin Gesine Enwaldt mit gearbeitet. Entstanden ist eine sehr gelungene Dokumentation über die Suche nach dem Glauben.
01.11.2011
Von Rosa Legatis

Mit einer großen Leichtigkeit und dennoch ernsthaft führte der Autor und Journalist Sven Kuntze durch seine Suche nach dem Glauben – seiner persönlichen Suche. Denn die Fernsehdokumentation war mehr als nur ein Reise in die Welten der verschiedenen Religionen, sie bot auch ganz intime Momente mit dem Fernsehmann. "Ich bin mir aber nicht sicher, ob eine solche Suche nach so vielen gelebten Jahren noch Sinn hat": Mit diesem Satz beginnt die Reise von Kuntze.

Erzählend, fast so, als ob er in sein Tagebuch schriebe, ließ der Journalist den Zuschauer an seinen Erlebnissen mit katholischen und buddhistischen Mönchen, Ordenschwestern, Engelsfrauen und Muslimen teilhaben. Sehr persönlich wirkten dabei seine hörbaren Gedankengänge – sie sind offen und menschlich. So gestand er bei einer Meditationsübung im Sitzen in einer buddhistischen Gemeinde in Berlin: "Wenn ich ganz ehrlich sein soll, mir tut alles weh". Aber er ließ auch tiefer in seine Seele blicken. So setzte er sich während der Dreharbeiten auch damit auseinander, dass er seinen Glauben verloren hat. "Ich habe meinen Glauben verloren, wie man einen Regenschirm bei schönem Wetter verliert. Aber jetzt wird es regnerischer."

"Glaube heißt überzeugt sein von Dingen, die ich nicht sehe"

Nicht jedem wird die forsche Art und Weise von Sven Kuntze gefallen haben, auf die er sich den verschiedenen Religionen und ihren Anhängern genähert hat. Doch bei seinen Gesprächspartnern kam er damit gut an. Seine Fragen, so naiv sie an mancher Stelle gewirkt haben mögen, haben sie gerne beantwortet. Seine Feststellungen, auch wenn sie manchmal provokant wirkten, haben häufig nur ein Schmunzeln bei seinem Gegenüber ausgelöst, manchmal sogar für ein herzhaftes Lachen gesorgt. Entscheidend dabei war, dass Kuntze immer authentisch in seiner Suche war. Und die Kameraführung hat dabei so manchen intimen Moment eingefangen, wie bei dem Besuch in einer muslimischen Familie während des Fastenmonats Ramadan.

Langsam kommt der Abend, er bereitet mit seiner Gastfamilie das Abendessen zu – während es um ihn herum offenbar herrlich duftet, schmatzt er scheinbar schon in freudiger Erwartung, um das Fasten brechen zu können. Den ganzen Tag nichts essen und trinken zu dürfen, dass war für ihn "eine körperliche Herausforderung".

Als Zuschauer fiel es leicht, ihm auf seiner Suche zu folgen, seine Fragen ware die, die sich so mancher stellt, aber nicht laut ausspricht. "Wie erfährt man, dass es Gott gibt?". Auf diese Frage antwortete ihm eine Ordenschwester der "Fazenda der Hoffnung", wo Kriminelle und Drogenabhängige mit Hilfe des Glaubens die letzte Chance auf ein anderes Leben bekommen: "Glaube heißt überzeugt sein von Dingen, die ich nicht sehe."

"Mir fehlt der Leidensdruck"

Die Momente der Ortswechsel, bei denen Kuntze allein in seinem Auto saß, nutzte der Autor häufig für eine Zwischenbilanz. Nie bewertete er dabei einen seiner Gesprächspartner, eine Aussage oder eine Situation negativ, so dass kein ein ungutes Gefühl beim Zuschauer entstehen konnte. Weder wenn es um den Glauben an Engel, noch wenn es um die Bekehrung eines jungen Kriminellen durch den katholischen Glauben zum Guten ging.

Bestechend war, dass alle Protagonisten der Dokumentation Sven Kuntze wünschen, dass er irgendwann ein wenig davon spürt, was sie in ihrem Glauben finden. "Das der Funke ein wenig auf ihn übergeht", wie eine junge Katholikin sagte, die bei dem Autor anlässlich des Papstbesuches in Berlin übernachtet hatte. Er selbst zeigte sich angerührt von der "Wärme und Offenheit" der Menschen, denen er begegnete und die ihn in ihrer Mitte aufnahmen. Doch er hielt während der Dreharbeiten an seinem lebenslangen "Skeptizismus" fest – "und der kann lästig sein". Andererseits sinnierte Kuntze an anderer Stelle in der Dokumentation über das gläubig sein: "Mir fehlt vielleicht der Leidensdruck, mir fehlt die Aussichtslosigkeit, dass ich zu diesem Notanker greife."

Am Ende der Dokumentation begibt er sich mit einem Hausboot und seinem buddhistischen Begleiter aus einer Gemeinde in Berlin auf eine Meditation in der Natur – und um dort auch mit ihm über das Projekt "Gläubig auf Probe" zu sprechen. Der Ausflug klingt bei einem Essen und einem Glas Wein (nur für Sven Kuntze) aus: "Eins muss ich sagen, es lohnt sich, ob man ankommt oder nicht", sagt der Autor und sinniert weiter, dass, wer auch immer die Welt erschaffen haben habe, durch die Schaffung von Trauben und Hefebakterien Gutes tat "oder er wollte uns in Versuchung führen" - und bietet seinem abstinenten buddhistischen Begleiter an: "Wenn du sündigen willst, ich verrate dich nicht."


Rosa Legatis ist freie Mitarbeiterin von evangelisch.de in Hannover.