Die Erwartungen vor der Begegnung im Erfurter Augustinerkloster waren hoch, sehr hoch. Der Papst selbst hatte den zentralen ökumenischen Programmpunkt seines Deutschlandbesuchs aufgewertet. Er setzte durch, dass mehr Zeit für das Gespräch angesetzt wurde und schrieb sogar einen Brief an EKD-Ratschef Nikolaus Schneider. Prompt blühten die Spekulationen: Plante Benedikt XVI. eine Würdigung Martin Luthers, ja eine Rehabilitierung des Reformators? Hatte er ein anderes "Gastgeschenk" im Sinn, etwa die Erlaubnis, dass konfessionsverbindende Ehepartner künftig gemeinsam zur Kommunion gehen dürfen?
Gemessen daran war Erfurt eine Enttäuschung. Das Treffen war zwar von Herzlichkeit und Aufgeschlossenheit geprägt, und die Augustinerkirche gab ihm einen mehr als würdigen Rahmen. Aber inhaltlich gab es nichts Neues. Der Papst hielt zwei Reden, eine im geschlossenen Kreis, eine in der Öffentlichkeit. In der ersten ging er auf Luther ein, würdigte Luthers lebenslange Suche nach einem gnädigen Gott. Kein Wort aber zur Reformation als solcher, ebenso wenig in der öffentlichen Predigt, in der auch Luther nicht mehr vorkam. Auf die von Bischöfin Ilse Junkermann angesprochene Abendmahlsfrage ging der Papst ebenfalls nicht ein.
Der Papst und das Gastgeschenk
Mehr noch: Benedikt XVI. ging von sich aus auf das vermeintliche "ökumenische Gastgeschenk" ein und schmetterte jenen, die auf derlei gehofft hatten, ein klares "Nein" entgegen. Der Glaube könne nicht auf Kompromissen beruhen, auf der Abwägung von Vor- und Nachteilen. "Ein selbstgemachter Glaube ist wertlos", so der Papst. Die Ohrfeige, die da durch die Augustinerkirche schallte, zeigte Wirkung. "Schade", war hinterher der Tenor der Zuhörer, von Enttäuschung war die Rede, auf katholischer Seite fast noch mehr als auf evangelischer. Dass der Papst eine über den Besuch in Erfurt hinausgehende Geste verweigert, war abzusehen; dass er es in dieser Schärfe tut, überraschte.
Nähe sieht anders aus: Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider (links), und Papst Benedikt XVI. bei der ökumenischen Feier am Freitag in der Erfurter Augustinerkirche. Foto: dpa
Doch eine Enttäuschung war das Treffen dennoch nicht. Der Papst ist so, wie er ist, und dass die Ökumene nicht zu seinem Kerngeschäft gehört, wusste man vorher. Mehr war schlicht nicht zu erwarten. Benedikt XVI. unterstrich im kleinen Kreis mit den EKD-Vertretern die Bedeutung des gemeinsamen Kampfes gegen die Säkularisierung, und er sprach vom Jahr 2017, wenn das Reformationsjubiläum ansteht, von einem wichtigen gemeinsamen Termin. EKD-Ratschef Schneider lud ihn nach dessen Worten ein, den 500. Jahrestag der Kirchenspaltung anders zu sehen als es die katholische Kirche bisher tut.
Dass da noch viel Arbeit wartet, zeigte sich bei der Pressekonferenz, die der Begegnung folgte. Schneider und der Präsident des vatikanischen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, lieferten sich auf offener Bühne einen Disput über die Frage, wie weit die Reformation als Bruch mit der bisherigen Geschichte zu werten ist. Das vom EKD-Ratschef in die Debatte geworfene "Healing of Memories", das Heilen der Erinnerung, scheint wichtiger denn je, damit es auf der ökumenischen Treppe irgendwann weiter bergauf geht. Zurzeit verharren Katholiken und Protestanten auf dem Absatz. Immerhin etwas, was sie gemeinsam haben.
Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für das Ressort Kirche und Religion.