Gaby Köster: Gottes Spuren im Leben entdecken?

Gaby Köster: Gottes Spuren im Leben entdecken?
"Ich habe beim lieben Gott angeklopft. Er hat mich zurückgeschickt", erzählt Gaby Köster, als sie ihren Weg zurück ins Leben beschreibt. Vor dreieinhalb Jahren erlitt die bekannte Unterhaltungskünstlerin einen Schlaganfall. Sie lag längere Zeit im künstlichen Koma und verschwand aus der Öffentlichkeit, unterband sogar jeglich Berichterstattung über ihren Gesundheitszustand. Nun sucht sie die Öffentlichkeit und erzählt von ihren Grenzerfahrungen und spricht von Gott. Gehören solche spirituellen Erfahrungen und Bekenntnisse in die Öffentlichkeit? Und wie gehen wir als Christen damit um?
14.09.2011
Von Ralf Peter Reimann

Kürzlich meldete sich Gaby Köster mit einem TV-Auftritt zurück, zeitgleich erscheint ihr Buch: "Ein Schnupfen hätte auch gereicht: Meine zweite Chance." Wenn Gaby Köster nun den lieben Gott bemüht, um ihr Überleben zu erklären, stellt sich die Frage: Ist sie nun fromm geworden? Reflexartig greift eine Schweizer Internetplattform, die sich der Evangelischen Allianz zugehörig fühlt, die Meldung über Gaby Kösters Comeback auf und bietet unter dem Artikel einen Online-Glaubenskurs mit dem Titel "Den kennenlernen, der bei Dir anklopft".

Dass Gaby Köster kein klassisches Bekehrungserlebnis gehabt hat, wird jedem sofort klar, der den Fernsehauftritt in voller Länge ansieht oder das Buch liest. Allerdings spricht sie von Grenzerfahrungen, erzählt von Erlebnissen an der Schnittstelle von Leben und Tod, wie ihr seit dreißig Jahren toter Vater ihr begegnet sei: "Ich habe selber gesehen, die Lieben kommen einen abholen – und das ist es nicht so schlimm." Sie erzählt ihre Geschichte – und redet im Zusammenhang mit Nahtodeserlebnissen von Gott zur besten Sendezeit im Fernsehen.

Spiritualität jenseits von Kirchenmauern

Wie redet man über Gott und Grenzerfahrungen in der Öffentlichkeit außerhalb der Kirchenmauern? Welche Sprache benutzt man in einer medialen Welt, die nicht mehr durch kirchliche Begriffe und Traditionen bestimmt ist. Kann man von Gott reden, ohne sich selbst als Christ zuverstehen? Gibt es einen Gottesbegriff jenseits des Christentums? Können Christen akzeptieren, dass Menschen von Gott reden, ohne ihrer Rede ein biblisches Gottesbild zu Grunde zu legen? Offenbar gibt es für Christen die Versuchung, öffentliche Rede von Gott immer sofort vom christlichen Glauben her zu deuten und zu vereinnahmen – so wie das Beispiel aus der Schweiz es zeigt.

Wie verhalten sich Kultur und Religion in einer säkularen Gesellschaft zueinander? Welche Rolle sollen und können die Kirchen einnehmen? Wenn nur noch die Kirchen der Gesellschaft als Institutionen für Spiritualität dienen, kommt es schnell zur Verhältnisbestimmung, dass Religion und Spiritualität ihren Ort in der Kirche haben, sich die Gesellschaft sonst aber als religionsfrei versteht.

Die Säkularisierung ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts. Einer der bekanntesten protestantischen Theologen des 20. Jahrhunderts, der Deutsch-Amerikaner Paul Tillich befasste sich intensiv damit. Er versteht Religion nicht als einen Bereich neben der Kultur, sondern sieht Religion als eine Tiefendimension, die auch der Kultur innewohnt. Es geht in Tillichs Denken nicht darum, dass sich die christliche Religion aus der Kultur zurückzieht und etwa durch eine säkulare Kultur ersetzt wird, sondern darum, religiöse Tiefenstrukturen in der der gesamten Kultur wahrzunehmen. Gaby Kösters Ausspruch vom anklopfenden Gott gehört dazu.

Religion hilft, das Leben zu deuten

Gott ist für Paul Tillich das, "was uns unbedingt angeht", der Gottesbegriff wird so zu einer Beschreibung der Sinnsuche des Menschen. Paul Tillich füllt diesen Religionsbegriff vom Christentum her und kann mit diesem Religionsverständnis die überlieferte christliche Religion neu deuten. Gleichzeitig erlaubt es seine Theologie, offen zu sein für eine säkulare Kultur – der christliche Glaube ist dabei eine Deutungsmöglichkeit dessen, was uns unbedingt angeht.

Auch Gaby Kösters Grenzerfahrungen gehören zu dem, was uns nach Paul Tillich unbedingt angeht. Solche Wendepunkte stellen für jeden Menschen die Frage nach dem Sinn – die Antwort darauf muss jeder selbst finden. Der christliche Glaube ist eine Antwortmöglichkeit in dieser Sinnsuche im Alltag. Und Religion so verstanden gehört keineswegs nur hinter Kirchenmauern, sondern ist Teil unseres Lebens. Religion als Grundlage unserer Kultur ist dann auch kein mediales Tabu-Thema, sondern gehört in die Öffentlichkeit. Allerdings gibt es in einer säkularen Gesellschaft kein Monopol mehr: Verschiedene religiöse Deutungsmuster stehen dort nebeneinander.

Gaby Kösters undogmatische Rede von Gott ist ein Beispiel dafür, dass man auch im Fernsehen unverkrampft von Gott reden kann. Diese Rede kann, muss aber nicht vom Christentum geprägt sein, und dennoch gehört Religion auf diese Weise zum menschlichen Alltag. Würde diese religiöse Ebene unseres Lebens ausgeblendet, verlöre unsere ganze Gesellschaft diese Dimension. Wenn öffentlich von Gott geredet wird, sollten Christen dies nicht vorschnell für sich vereinnahmen. Sie dürfen aber froh sein, wenn auch Nicht-Christen auf der Suche nach dem sind, was uns unbedingt angeht.


Ralf Peter Reimann ist evangelischer Pastor und Mitarbeiter von evangelisch.de.