USA: Schuldengrenze erhöht, Vertrauen trotzdem weg

USA: Schuldengrenze erhöht, Vertrauen trotzdem weg
Die USA haben es geschafft, die Schuldengrenze ihres Staatshaushalts zu erhöhen. Die größte Volkswirtschaft der Welt wird am 2. August also weiterhin ihre Verpflichtungen zahlen können, die Zinsen für ihre Kredite ebenso wie die Pensionsschecks für Rentner. Aber der Weg dahin schadete der Glaubwürdigkeit der amerikanischen Regierungsinstitutionen trotzdem.
02.08.2011
Von Hanno Terbuyken

Nach dem Kompromiss zur Erhöhung der US-amerikanische Schuldengrenze stehen alle beteiligten Parteien lädiert und bedröppelt da. Wochenlang zankten sich Repräsentantenhaus und Senat, Republikaner und Demokraten, um den richtigen Weg, um dem sogenannten "default" – der Bankrotterklärung – zu entkommen.

Jetzt einigten sich die Chefunterhändler beider Parteien auf einen Kompromiss, der die Verantwortung von den Parlamentariern wegschiebt und auf den Präsidenten und eine Kommission abschiebt. Wie in Deutschland auch hält aber in den USA das Parlament die Budget-Hoheit. Aber die ideologischen Grenzen waren so stark befestigt, dass im Parlament offenbar kein Kompromiss möglich war. Daraus lässt sich das Vertrauen in die Stabilität der USA nicht zurückgewinnen.

Die Parlamentarier geben ihre Verantwortung ab

Worauf haben sich die Politiker nun geeinigt? Zunächst werden in den kommenden zehn Jahren 917 Milliarden US-Dollar eingespart, 420 Mrd. davon aus den Töpfen für "nationale Sicherheit", von Homeland Security bis zum Militär. Dafür wird die Schuldengrenze um 900 Milliarden US-Dollar erhöht. Und weil es so eilt, erlaubt es der Kongress dem Präsidenten, die Schuldengrenze direkt selbst um 400 Mrd. US-Dollar hochzusetzen. Da geben die Parlamentarier das erste Mal die Verantwortung ab.

Die restliche Erhöhung der Schuldengrenze um weitere 500 Milliarden US-Dollar wird von einem Negativvotum des Kongresses begleitet, gegen das Präsident Obama aber ein Veto einlegen kann (und wird). Da geben die Parlamentarier zum zweiten Mal ihre Verantwortung ab.

Außerdem wird es eine gemeinsame Kommission von Senat und Repräsentantenhaus geben, die zu gleichen Teilen von Republikanern und Demokraten besetzt wird. Diese Kommission schlägt dann bis November weitere Veränderungen im Staatshaushalt vor, bis hin zu einer Steuerreform, die die Parlamentarier entweder annehmen oder ablehnen, aber nicht verändern können.

Wenn sie angenommen werden, darf Obama die Schuldengrenze um 1,5 Billionen Dollar erhöhen, wenn nicht, darf er 1,2 Billionen Dollar mehr leihen. Dann allerdings greifen pauschale Kürzungen in gleicher Höhe, die sowohl die Sozialausgaben als auch die Verteidigungsausgaben empfindlich treffen werden. Auch hier delegieren die Parlamentarier ihre Verantwortung weg.

Obama verliert, auch die Republikaner stehen nicht gut da

Für Präsident Obama bedeutet diese Lösung zwar, dass er bis zur Präsidentschaftswahl 2012 keine erneute Debatte über eine Erhöhung der Schuldengrenze führen muss. Es ist ihm aber auch nicht gelungen, die Steuern für Reiche zu erhöhen und damit die Steuersenkung der Bush-Ära wieder aufzuheben, was er zuvor versprochen hatte. Und die staatlichen Sozialprogramme konnte er vor Kürzungen auch nicht schützen, wie es seine Parteifreunde forderten.

Im Prinzip haben die Republikaner damit einen Teil ihrer Kernforderungen durchgesetzt: Keine Steuererhöhungen, auf keinen Fall, und außerdem die Staatsausgaben wesentlich reduzieren. Dennoch stehen auch Obamas politische Gegner nicht gut da. Das liegt vornehmlich daran, dass es Republikaner gab, die die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA in Kauf genommen hätten – vor allem Abgeordnete der Tea-Party-Bewegung, die erst zu Obamas Amtszeit entstand. Republikaner wie Michelle Bachmann, die als Präsidentschaftskandidatin antreten möchte und jede Erhöhung der Schuldengrenze ablehnt.

Bachmann und ihre konservativen Tea-Party-Kollegen hätten die USA diesmal aber ins ökonomische Desaster laufen lassen (und haben auch zum Großteil gegen den Kompromiss gestimmt). Für sie ist jede zentrale Vorgabe ein direkter Angriff auf die individuelle Freiheit. Das ist ein problematisches Staatsverständnis, weil es einen Kompromiss zum Wohle aller unmöglich macht. Die Republikaner hätten sich und die USA beinahe in diesem innerparteilichen Streit zwischen Konservativen und Tea-Party-Radikalen zerfleischt.

Vertrauen wiederherstellen? So nicht

Dabei hat der amerikanische Kongress die Schuldengrenze bereits über 70 Mal erhöht. Und schon im Mai war klar, dass es spätestens am 2. August wieder passieren müsste. Präsident Obama hat die Debatte zu lange schleifen lassen, die Republikaner haben sie zu lange blockiert, und am Ende stellten die versammelten Parlamentarier fest, dass sie es selbst nicht hinkriegen und delegierten die Verantwortung in weniger Hände.

Eigentlich sollte die Erhöhung der Schuldengrenze das Vertrauen in die Stabilität der USA und in die Verantwortung ihrer Regierung zurückbringen. Aber wie Präsident Obama selbst sagte, als er nach der Einigung vor die Presse trat: "Dieser Prozess war unordentlich und hat viel zu lange gedauert." Stimmt. Vertrauen stellt man so nicht wieder her.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de und schreibt das Blog "Angezockt".