Frau Severitt, wann haben Sie zum ersten Mal gemerkt, dass Blumen eine Botschaft verkünden?
Ulrike Severitt: Eine weltliche Botschaft kenne ich schon ganz lange. Eine christliche Bedeutung ist mir bewusst geworden, kurz nachdem ich hier einen Küsterdienst angefangen habe - ich denke, im Jahr 2004.
Wissen Sie noch, an welcher Pflanze Ihnen das klar geworden ist?
Severitt: Das ist mir an der weißen Lilie bewusst geworden, dass muss entweder schon im Oktober 2004 oder im Mai 2005 gewesen sein, denn Oktober und Mai sind die Marienmonate. Da hatte ich zufällig weiße Lilien auf dem Tisch, und mein damaliger Chef meinte: "Das sind Marienblumen." Seitdem hab ich mich intensiv damit beschäftigt.
Zum Erntedankfest war der Altar mit Früchten und Gemüse geschmückt. Dazu hat Ulrike Severitt Sonnenblumen aufgestellt: Sie gelten als Symbol der Gottesliebe und der Seele, die Gedanken und Gefühle auf Gott richtet. Damit ist die Sonnenblume auch Symbol des Gebets. Auch Christus wird mit der Sonne verglichen, zum Beispiel in dem Lied "Sonne der Gerechtigkeit". Foto: Lydia Bänsch
Nach welchen Kriterien suchen Sie die jeweiligen Blumen für einen Sonntag aus?
Severitt: Als erstes nach der liturgischen Farbe. Es ist Grundbedingung, dass ich immer die liturgische Farbe auf dem Altar habe, denn wir hatten in der Kirche bisher keine Antependien, deswegen sind die Farben bei uns durch Blumen dargestellt worden. Außerdem suche ich nach der christlichen Bedeutung. Zum Beispiel die Nelke: Die heißt im Volksmund auch Nägeli und hat die Form eines Nagels und wird dadurch auf die Passion Christi bezogen. Oder Efeu zum Beispiel steht für Tod und Unsterblichkeit und ist ein Symbol für die Treue. Das ist immer sehr schön. Ich habe immer eine Dreizahl, die für die Dreifaltigkeit steht - also immer drei, sechs, neun oder zwölf von einer bestimmten Blume, zum Beispiel drei Anthurien oder sechs Nelken.
Das ganze heißt bei Ihnen in der Gemeinde "florale Verkündigung". Finden Sie, dass es wirklich "Verkündigung" ist - vergleichbar mit der Verkündigung von Gottes Wort?
Severitt: Ich denke schon. Es ist das Pendant zu der musikalischen Verkündigung. Es gibt die musikalische, die durch das Wort und eben bei uns auch die Verkündigung durch die Blume. Das wird auch an jedem Sonntag im Gottesdienst erklärt, also ich schreibe dem Pfarrer immer die Bedeutung der Blumen auf, und dann kommt das schon rüber. Es kommt auch vor, dass Leute nachher nochmal zum Altar gehen, um sich das genauer anzusehen oder mich nach dem Gottesdienst ansprechen. Und es steht in unserem Gemeindebrief ein kurzer Artikel über die Bedeutung verschiedener Blumen.
Wiederholen sich die Blumen nicht nach einem Jahr? Kommen Sie nicht in die Verlegenheit, zum Beispiel zum Ostersonntag immer dasselbe herzustellen?
Severitt: Nein, nein. Es wiederholt sich nichts, und es gibt auch viele Blumen mit verschiedenen Bedeutungen, die man auch verschieden auslegen kann. Und der Zusammenbau ist auch immer unterschiedlich. Ein Palmwedel bedeutet zum Beispiel Frieden, man kann ihn aber auch als Symbol für unseren Namenspatron Antonius auslegen. Es ist eben eine Wüstenpflanze. Es ist nicht so, dass ich für jeden Sonntag eine ganz bestimmte Blume habe.
Welche Blumen mögen Sie selbst am liebsten?
Severitt: Oh, viele! Das sind nicht unbedingt die, die ich auf dem Altar habe. Ich hab's gerne im weltlichen Leben ein bisschen wild. Aber auf dem Altar ist es eben wichtig, dass da auch was rüberkommt von der Bedeutung. Ich nehme oft im Sommer, gerade wenn's immer grün ist, eine Calla oder eine Anthurie - also, so sehr sprechen mich die privat nicht an, aber da kann man eben viel zu sagen.
Am 24. Juli war grün die liturgische Farbe, deshalb hat die Küsterin Mohnkapseln, Anthurien und Pistaziengrün ausgewählt. Der lateinische Name für Mohn lautet Papaver, darin steckt das Wort Papa: Dazu gibt es eine Geschichte, nach der ein Vater seine Kinder mit Mohnsamen zur Ruhe bringt. Die Anthurie ist ein Aaronstabgewächs und steht für Auferstehung. Im Volksmund heißt sie auch "Pfaffenpint" oder "Priesterpinsel". Das Pistanziengrün stammt von der Atlantischen Terebinthe, die in der Bibel als Bestattungsort vorkommt (1. Chronik 10,11-12). Foto: Martin Weiler
Was haben Sie bei sich im Garten zu Hause?
Severitt: Im Garten hab' ich riesige Rosen. Die Rose eignet sich natürlich auch gut als Verkündigung, Hortensien hab ich auch… das kann ich alles christlich auslegen. Aber ich hab auch viel Gemüse.
Wie lange brauchen Sie, um ein Gesteck für die Kirche herzustellen?
[listbox:title=Buchtipps[Marianne Beuchert: "Symbolik der Pflanzen. Mit 101 Aquarellen", Insel-Verlag##Wolfgang Kawollek und Henning Falk: "Bibelpflanzen kennen und kultivieren", Verlag: Ulmer ##Udo Becker: "Lexikon der Symbole", Verlag: Herder spektrum]]
Severitt: Das kommt darauf an, wie aufwändig es ist. Eine halbe Stunde ungefähr.
Was passiert damit nach dem Gottesdienst?
Severitt: Das bleibt auf dem Altar stehen, wie haben eine offene Kirche. Das Gesteck wird dann noch ein bisschen renoviert, oder wenn zwischendurch ein Feiertag in der Woche ist, dann wird es noch ein bisschen aufgebessert, oder eben auch ausgetauscht, falls die liturgische Farbe sich ändert.
Ulrike Severitt ist Küsterin in der Antonitercitykirche in Köln. Vor dieser Tätigkeit hat sie als Floristin gearbeitet. In der "Floralen Verkündigung" verbindet sie Kenntnisse aus beiden Berufen miteinander.