Herr Landesbischof, nach Ihrem Abschied aus dem Bischofsamt gehen Sie als Gemeindepfarrer in Ihre fränkische Heimat. Wissen Sie schon, wo es genau hingeht?
Friedrich: Das wird sicher eine Gemeinde südlich von Nürnberg im Fränkischen sein – ich weiß aber noch nicht welche. Rechtlich hätte ich die Möglichkeit, in eine Gemeinde zu gehen, in der eine Pfarrstelle frei ist. Aber ich bin ja nur noch zwei Jahre Pfarrer, und wenn die Gemeinde einen Geistlichen bekommen könnte, der für zehn Jahre oder länger bleibt, wäre das unfair, wenn ich das ausnutzen würde. Deswegen wird es eine Gemeinde sein, die ansonsten unbesetzt bliebe und das Pfarramt geschlossen wäre. Das ist dann auch für die Menschen vor Ort ein Gewinn, wenn sie doch einen Pfarrer haben.
War das Ihr Wunsch, in die Heimat zurückzugehen?
Friedrich: Ja, meine Frau und ich haben ein Haus südlich von Nürnberg, in dem wir auch im Ruhestand wohnen wollen. Ich möchte auch sehr bewusst aus München weg, obwohl meine Frau gerne hierbliebe. Aber ich will meinem Nachfolger nicht vor den Füßen herumtrampeln.
Wie groß ist die Vorfreude auf die neue Aufgabe?
Friedrich: Sehr groß. Ich freue mich richtig, das wieder machen zu können, was ich zu Beginn meines beruflichen Weges getan habe: predigen, Leute besuchen, Seelsorge, Amtshandlungen. Schulunterricht muss ich nicht mehr halten, weil das bei uns in Bayern die über 60-jährigen Pfarrer nicht mehr machen müssen. Das würde mir auch schwerfallen, denn ich habe seit Jahrzehnten nicht mehr unterrichtet. Aber das andere traue ich mir zu!
Sie sind seit zwölf Jahren Bischof. Wann haben Sie begonnen, sich über das "Danach" Gedanken zu machen?
Friedrich: Das hat sich in den letzten Jahren so herausgebildet. Am Anfang habe ich darüber nicht so sehr nachgedacht, weil man nicht wusste, wie sich alles entwickelt. Ich hatte mal die Idee, nach der Bischofszeit für ein oder anderthalb Jahre an ein ausländisches Seminar zu gehen – Hongkong, das ich mal besuchte, oder Tansania hätten mich sehr gereizt. Aber das habe ich verworfen, weil ich weiterhin im Rat der EKD sein werde und für die Sitzungen nicht von irgendwoher einfliegen kann. Dasselbe gilt für die zweite Idee, als Auslandspfarrer in eine der Mittelmeergemeinden zu gehen. Dorthin schickt die EKD immer jemanden für gewisse Zeit. Dann kam die Idee mit dem Dorfpfarramt. Und je länger ich darüber nachdenke, umso größere Freude macht mir dieser Gedanke.
Sie freuen sich auf die seelsorgliche Tätigkeit - wie weit kann man als Bischof noch Seelsorger sein?
Friedrich: Als Bischof ist man auch Seelsorger, aber in einer ganz anderen Weise. Ich war immer wieder in seelsorglichen Situationen mit Verantwortungsträgern unserer Gesellschaft. Manchmal hat man sich am Rande eines Empfangs in die Ecke gestellt und eine halbe Stunde miteinander geredet. Ich hörte sehr viel zu und hatte den Eindruck: Mein Gegenüber freut sich, dass jemand da ist, dem man mal sein Herz ausschütten kann und dabei aber weiß, dass es weder in der Öffentlichkeit noch sonstwo verwendet wird. Diese Situationen gab es gar nicht so selten. Es gab natürlich immer wieder auch Briefe, in denen mir Leute ihr Leid geschildert haben – ich habe mich aber außerstande gesehen, mich um jeden einzelnen zu kümmern, auch aus zeitlichen Gründen. Wir haben dann versucht zu sehen, dass sich der zuständige Gemeindepfarrer, der Dekan oder auch einer meiner Referenten weiter darum kümmert.
Landesbischof Johannes Friedrich (links) und sein designierter Nachfolger Heinrich Bedford-Strohm nach dessen Wahl am 4. April 2011 in der Münchner Matthäuskirche. Foto: epd-bild / Michael McKee
Täuscht der Eindruck, dass die Synoden bei den jüngsten Bischofswahlen mehr auf Seelsorger gesetzt haben als auf Kirchenpolitiker?
Friedrich: Das könnte ich so nicht bestätigen. Ich glaube nicht, dass speziell die Seelsorgefähigkeit eine herausragende Fähigkeit ist, nach der Bischöfe gewählt werden. Aber jeder gute Bischof muss sowohl kirchenpolitische als auch seelsorgerliche Kompetenzen haben.
Gab es für Sie als Bischof beispielsweise in Gremiensitzungen Momente, in denen Sie gemerkt haben, dass Sie die Rolle wechseln und mehr Seelsorger sein müssen?
Friedrich: Die gab und gibt es immer wieder – denn es gibt ja bei manchen Themenstellungen ganz starke persönliche Betroffenheiten. Nach meiner Auffassung gehört das zum geistlichen Leiten dazu, dass man versucht, die Situationen, in denen die Mitglieder eines Gremiums sind, zu erspüren und dann entsprechend darauf zu reagieren. Das würde ich gar nicht als Rollenwechsel bezeichnen, sondern das ist mein Verständnis von Leitung. Da muss ich dann in einer Sitzung den nächsten Impuls setzen, oder aber man macht eine Pause und spricht ein paar Takte unter vier Augen.
Als im April Heinrich Bedford-Strohm zu Ihrem Nachfolger als bayerischer Landesbischof gewählt wurde, war das eine sehr spannende Wahl. Als Sie selbst im Jahr 1999 gewählt wurden, war es ebenfalls ein dramatischer Tag. Haben Sie sich über dieses Wechselbad der Gefühle ausgetauscht?
Friedrich: Für meinen Nachfolger war es wesentlich weniger "wechselbadmäßig", denn er hat schon nach dem ersten Wahlgang klar an der Spitze gelegen. Das hat sich in den Wahlgängen darauf nicht wesentlich verändert, so dass seine Favoritenrolle nach dem ersten Wahlgang völlig klar war. Bei mir war es anders. Ich war von einem Arbeitskreis aufgestellt, der über 50 Prozent der Stimmen hatte. Aber im ersten Wahlgang bekam ich die wenigsten Stimmen. Von daher war es für mich wesentlich aufregender. Ich habe Heinrich Bedford-Strohm auch so erlebt, dass er relativ gelassen und locker war. Er galt ja eher als Außenseiter – und erhielt von Anfang an viele Stimmen - ich galt als Favorit und hatte zunächst wenige . Selbst als ich nach dem letzten Wahlgang hörte, es sei entschieden, war ich nicht sicher, ob es mein Gegenkandidat und Freund Gunther Wenz geworden ist oder ich.
Was werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie das Bischofsamt hinter sich lassen?
Friedrich: Einer meiner emeritierten Kollegen hat gesagt, es sei schrecklich im Ruhestand: "no information, no transportation". Beides werde ich nicht vermissen. Ich fahre selbst gerne Auto – und ich bin auch fähig, U-Bahn und Straßenbahn zu fahren, Fahrrad zu fahren und zu laufen. Und da ich mich täglich mit dem Internet und meinem Laptop beschäftige, werde ich auch weiterhin alle Informationen bekommen, die ich haben will. Viele werde ich nicht mehr bekommen – aber ich glaube, die will ich gar nicht mehr haben. Auf all die Vorgänge, die hier in vertraulichen Sitzungen besprochen werden, kann ich eigentlich ganz gut verzichten. Ich werde auch nicht traurig sein, dass ich nicht mehr auf Empfänge gehe. Aber es kann natürlich sein, dass ich nach einem Jahr denke: Ach, es war ja doch ganz schön, dass man wieder Leute getroffen hat. Es kommt darauf an, wie es meiner Frau und mir gelingt, unser Leben so zu gestalten, dass wir genügend soziale Kontakte haben – über das Berufliche in der Gemeinde hinaus. Im Moment sehe ich nicht, worauf ich ungern verzichte. Halt, eines dann doch: unsere schöne Wohnung in München und natürlich meine Mitarbeitenden. Ich habe hier eine tolle Bürogemeinschaft, wo ich immer gerne hingehe. Schade, wenn es das nicht mehr gibt.
Landesbischof Johannes Friedrich mit seiner Frau Dorothea bei der Eröffnung der Bayreuther Festspiele 2011. Foto: dpa
Übernimmt Ihre Frau die Aufgaben einer klassischen Pfarrersfrau?
Friedrich: Das muss sie selbst entscheiden, wenn es so weit ist. Im Moment ist sie ganz froh, dass ihr Lehrerdasein zu Ende ist. Sie war immer gern Lehrerin, allerdings immer weniger gerne, seitdem in Bayern das achtstufige Gymnasium eingeführt worden ist. Ihre Referendare wird sie auf jeden Fall vermissen – sie ist auch Seminarlehrerin für evangelische Religionslehre. Meine Frau sagt deutlich, sie will erst einmal keine neuen Verpflichtungen übernehmen, sondern langsam hineinwachsen. Sie war ja in Jerusalem sechs Jahre lang 150-prozentige Pfarrfrau. Sie hat das immer gerne gemacht, aber das entscheidet sie selbst.
Wird man Sie in Ihrer neuen Gemeinde als "Herr Bischof" oder "Herr Pfarrer" ansprechen?
Friedrich: Als Herr Pfarrer oder Herr Friedrich. "Herr Bischof" wäre unangebracht.
Denken Sie schon über die zwei Jahre hinaus bis zum Ruhestand?
Friedrich: Ich nehme einige Ämter mit, die nicht funktional mit dem Amt als Landesbischof zusammenhängen. Im Rat der EKD bin ich weiter zuständig für Jerusalem, das ist relativ zeitaufwändig. Zudem bin ich Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft, bin auch im "Global Board" der Weltbibelgesellschaft und werde auch Vorsitzender der Bayerischen Bibelgesellschaft. Zudem leite ich das Kuratorium des Evangelischen Studienwerks Villigst; ich wurde gewählt in dem Wissen, dass das über die Pensionierung hinausreicht. Aber ich merke schon: Ich muss aufpassen, nicht überall Ja zu sagen. Die Fragen kommen immer schneller, gerade vorhin hatte ich wieder einen Anruf. Schließlich will ich auch noch genügend Zeit haben, um mit meiner Frau das Leben zu genießen.
Johannes Friedrich, Jahrgang 1948, wuchs in Erlangen auf. Nach dem Theologiestudium und der Promotion folgte 1977 die Ordination. Nach einigen Jahren in Nürnberg war Friedrich 1985 bis 1991 Propst in Jerusalem, ehe er in die fränkische Metropole zurückkehrte und dort Dekan wurde. 1999 wählte ihn die bayerische Landessynode zum Bischof. Den letzten Arbeitstag in diesem Amt hat Friedrich am 31. Oktober, dem Reformationstag. Die bayerische Staatsregierung ehrt ihn zuvor mit einem Staatsempfang. Seinen Dienst als Gemeindepfarrer tritt Friedrich voraussichtlich im Februar 2012 an.
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Nachtrag: Seit Ende Juli steht fest, wohin Johannes Friedrich nach seinem Ausscheiden aus dem Bischofsamt gehen wird. Er wird mit einer halben Stelle Pfarrer der Kirchengemeinde Bertholdsdorf im Landkreis Ansbach. Nach den Worten des Windsbacher Dekans Horst Heißmann muss der Landeskirchenrat der Stellenbesetzung im Herbst noch offiziell zustimmen. Die Pfarrgemeinde hat rund 720 Mitglieder. Friedrich soll am 5. Februar 2012 in sein neues Amt eingeführt werden.