Es ist das kulturelle Gedächtnis der Deutschen, Bilder von allem, was Deutschlands Geschichte ausmacht: Es gibt Aufnahmen der Krönungsurkunde Ottos des Großen aus dem Jahr 936, solche des Vertrages zum Westfälischen Frieden von 1648, und eine der Ernennungsurkunde Adolf Hitlers zum Reichskanzler. Was immer mit den Menschen in Deutschland passiert: Ihre Spuren werden erhalten bleiben. "Es ist wichtig zu wissen, woher man kommt", sagt Porwich.
"Zentraler Bergungsort"
Seit 1975 fungiert der Barbarastollen als sogenannter "Zentraler Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland". Er verdankt seine Existenz der Angst vor dem physischen Untergang durch die Macht einer Atombombe sowie den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges: Kulturgüter sollten nie mehr Teil oder Beute eines Krieges werden, so legten es die Unterzeichnerstaaten der "Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten" fest, der die Bundesrepublik 1954 beitrat.
Zum Schutz der Güter brauchte man einen Ort, der einerseits atombombensicher war, andererseits auch nicht kriegswichtig werden konnte - wie den Barbarastollen: Es gibt hier keine Bahnlinien und Autobahnkreuze, die das Militär bombardieren könnte. Zudem ist der Stollen ein Ort, dem sich die Bundeswehr nicht nähern darf.
Niemals würde die Druckwelle einer Explosion bis in das Innerste des Stollens kommen, ist Porwich überzeugt. Und wenn doch, könnte sie den 1.455 massiven, luftdicht versiegelten Edelstahlfässern nichts anhaben, die bei konstanten zehn bis zwölf Grad Celsius und trockenem Klima im Herzen des Berges liegen. "Auf dem Weg in den Stollen würde sich eine Detonationswelle totlaufen. Das hat man bedacht, als man ihn ausbaute", sagt Porwich, der beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz beschäftigt ist.
Eine Kamera für 40.000 Euro
Vier Mal im Jahr kommen neue Lieferungen von Kulturgütern im Stollen an. Genauer gesagt: Mit den Fotos davon. 40.000 Euro ist die Kamera wert, mit deren Hilfe das Bundesamt jene Dokumente abfotografiert, welche die Landesarchivare der Bundesländer für wichtig genug erachten.
Produziert wird ausschließlich analog. Das liege unter anderem daran, dass digitale Datenträger wie CDs nur eine Lebensdauer von wenigen Jahren haben, sagt Lothar Porwich. "Vor allem aber brauchen Sie dafür in jedem Fall ein Abspielgerät. Um einen Mikrofilm betrachten zu können, genügt eine Lupe". 500 Jahre sollen sich die Filme in den Fässern halten, zumindest ist das die garantierte Dauer. "Vermutlich sind es sogar eher 1.000", sagt Porwich.
Und dann? Wer sollte auf die Idee kommen, die Fässer zu öffnen? Wie sie ein Fass kennzeichnen müssen, damit Menschen in 500 oder 1.000 Jahren dessen Inhalt erfassen können, wissen die Kulturschützer nicht. Aber brächten Menschen in Hunderten von Jahren den Inhalt ans Tageslicht, könnten sie die auf den Fotos enthaltenen Informationen schnell erkennen - selbst dann, wenn sie gar nicht wüssten, was Fotos sind.
"Ich persönlich vertraue auf die Neugier der Menschen", sagt Porwich. "Zuerst werden sie an den Schrauben herummachen, die sie ja vielleicht nicht kennen - und beim fünften oder zehnten Fass feststellen, dass da was drin ist".