Seit bald einem Jahr ist die italienische Mitte-Rechts-Regierung in einer Dauerkrise, den skandalumwitterten Silvio Berlusconi ficht das allerdings nicht an. Also nimmt der Regierungschef - siegessicher wie immer - die Kommunalwahlen am kommenden Sonntag und Montag ins Visier. Berlusconi (74) fürchtet den Urnengang in jeder sechsten Gemeinde offensichtlich nicht. Denn sonst hätte er die "Comunali" nicht zur nationalen Testwahl für die Regierungskoalition seiner Partei PDL (Volk der Freiheit) und der populistisch-separatischen Lega Nord Umberto Bossis ausgerufen.
"Es ist nötig, die Kommunalwahlen zu gewinnen, vor allem in Mailand, um die nationale Regierung zu stärken." Das ist die Losung, die der 74-jährige Milliardär ausgegeben hat. Dabei dürften am Sonntag die wenigsten Italiener Lust haben, sich für ihre politische Klasse auf den Weg zum Wahllokal zu begeben: Regional und national gibt es Streit zwischen den beiden Regierungsparteien, und die Opposition liebt die internen Grabenkämpfe. Berlusconi selbst hat durch angeblich wüste Partys mit bezahlten minderjährigen Frauen Schlagzeilen gemacht und muss sich einer Reihe von Prozessen erwehren.
Das Ausland fragt sich, warum Berlusconi noch gewählt wird
Das politische Italien, das trotz aller Verdrossenheit noch wählen geht, blickt jedenfalls nun gebannt auf vor allem vier große Städte - Mailand, Turin, Bologna und Neapel. "Hier entscheidet sich auch die Zukunft der nationalen Politik und eben dieser Regierung Berlusconi", so analysiert die Turiner Tageszeitung "La Stampa". Andere mögen dies anders sehen. Die brennenden Probleme etwa der kampanischen Metropole Neapel, die wieder im Müll zu ersticken drohe, würden nur benutzt, um dem Gegner zu schaden, bemängelt der Mailänder "Corriere della Sera". Berlusconi ist das recht, er gewinnt Wahlen gern durch Konfrontation.
Mancher im Ausland mag sich fragen, wie sich der "ewige Sieger" Berlusconi überhaupt noch über Wasser halten kann. Derweil sieht der vor 17 Jahren vom Unternehmer zum Politiker gewandelte Mailänder die Kommunalwahlen als Sprungbrett für den nächsten nationalen Urnengang zwei Jahre später an. Und er zieht wieder an allen Strippen, tritt in fast all seinen Prozessen auf, um die "linke" Justiz zu beschimpfen - was manchen Italienern aus dem Herzen sprechen könnte. Unterdessen geht der Koalitionspartner Lega Nord mit der Angst vor den Migranten auf Stimmenfang. Da Sicherheitsparolen im italienischen Wahlkampf gut ziehen, könnte die Lega zulegen und das Land noch rechtslastiger werden.
In zwei Jahren kann wieder alles anders sein
In der Finanzmetropole Mailand will Berlusconis ehemalige Bildungsministerin Letizia Moratti am liebsten schon im ersten Wahlgang als Bürgermeisterin bestätigt werden, weil eine Stichwahl einen ungewissen Ausgang hätte. Mitte-Links dagegen setzt auf eine Bestätigung durch den Wähler in Turin, Bologna und Neapel. So ist es in Bologna der Lega-Regionalpolitiker Manes Bernardini, der mit der Rückendeckung von Berlusconis PDL einen Sieg des Virginio Merola von der größten Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) verhindern will. Und in der Müll- und Mafia-Metropole Neapel hofft die Rechte darauf, mit dem Unternehmer Gianni Lettieri die Linke endlich - nach 18 Jahren in der Führung der wuseligen Millionenstadt - auszuhebeln.
So gewinnen kommunale Urnengänge in nur einem Teil des Landes in turbulenten politischen Zeiten eine nationale Statur. Von Rom aus gesehen treten lokale Fragen in den Hintergrund. Aber selbst wenn der 74-jährige Taktiker Berlusconi wieder einmal die Oberhand behalten sollte, garantiert das keineswegs, auch bis zu den Parlamentswahlen 2013 durchzuhalten. Umgekehrt muss eine Niederlage auch nicht sein Ende bedeuten.