Einsam vor Weihnachten: Mafia-Mann bat um Verhaftung

Einsam vor Weihnachten: Mafia-Mann bat um Verhaftung
Schwer vorstellbar, aber wohl wahr: Ein Schwerkrimineller hat sich in Italien bei der Polizei gemeldet. Er fühlte sich einsam und wollte vor Weihnachten zurück in den Knast. Der Polizeichef bestätigt das.
28.12.2010
Von Hanns-Jochen Kaffsack

Weil er immer auf der Flucht war und sich quälend einsam fühlte, hat ein italienischer Mafia-Mann kurz vor Weihnachten um seine Festnahme gebeten: Der vorbestrafte Serienräuber, Erpresser und ehemalige Kollaborateur der kalabrischen 'Ndrangheta rief beim Polizeipräsidium in Lucca in der Toskana an und wollte hinter Gitter.

Paolo Anfossi verlangte den Chef des mobilen Einsatzkommandos und stellte als einzige Bedingung, von diesem höchstpersönlich Handschellen angelegt zu bekommen. Bei der Festnahme wollte der Ex- Mafioso die Polizisten sogar umarmen. Er hatte seine kriminelle Karriere schlichtweg satt.

"Im Knast so geborgen wie bei einer Familie"

"Er musste einfach mit jemandem reden, er war allein. Er hat lange im Knast gelebt, in einem gewissen Sinne fühlte sich Paolo Anfossi dort geborgen so wie in einer Familie." So umschreibt Virginio Russo, Chef des mobilen Einsatzkommandos, die denkwürdige Weichenstellung des 56-jährigen Kriminellen, der es faustdick hinter den Ohren hat. Ja, vorweihnachtliche Stimmung könnte sehr wohl dabei auch eine Rolle gespielt haben - Paolo Anfossi wählte die Nummer dieses Polizisten zwei Tage vor dem Heiligen Abend. Und stellte damit auch sicher, dass er das Fest der Liebe hinter Gittern verbringen würde.

Im Gefängnis werde er sich weniger allein fühlen als in der Freiheit, hatte Anfossi am Telefon dem Mann gesagt, den er von früher her kannte. Er habe es satt, ein kriminelles Leben zu führen und anderen etwas anzutun. Außerdem wolle er eine Reihe von Überfällen aus der jüngsten Vergangenheit gestehen. Was er dann auch tat - 5.000 Euro erbeutete er in einer Sparkasse bei Pisa. Ein Überfall auf eine Bankfiliale im ligurischen Chiavari klappte dann nicht, und danach versuchte er sein kriminelles Glück noch beim Casino von Nizza.

Endlich ein "ordentliches" Leben anzufangen

Alles in allem genug, um jetzt, wo es ihm mit Überfällen reicht, noch einmal das Steuer herumzureißen und im Gefängnis zu landen. Die Beamten von Lucca dürften über diese zerknirschte Rede des vielfach vorbestraften und als gefährlich eingestuften Kriminellen jedenfalls nicht schlecht gestaunt haben: Mafiöse Verbindungen, Geiselnahme, Erpressung, bewaffneter Raubüberfall und Drogenhandel, all das hat der "einsame" einstige 'Ndrangheta-Mann so auf dem Kerbholz.

Normalerweise versuchen in Italien reuige Mafia-Leute einen Straferlass auszuhandeln oder eine neue Identität zu bekommen, bevor sie den Ermittlern freiwillig und freimütig etwas beichten. Anfossi hatte einen guten Grund, sich an den leitenden Polizisten zu wenden - diesen hatte er einst zusammen mit einem Freund getroffen, bei seinem allerersten Versuch, endlich ein "ordentliches" Leben anzufangen. Das scheiterte dann aber. Später kann er das vielleicht nochmal angehen.

dpa