Dass Halligbewohner pünktlich an Heiligabend in ihrer Kirche feiern, ist nicht selbstverständlich. Nicht nur das Wetter, sondern auch Ebbe und Flut müssen mitspielen. So konnte Krämer im vergangenen Jahr am 24. Dezember nicht mit dem Postboot nach Gröde schippern, weil erst in der Dunkelheit Flut war und das Boot kein Radar hat. Also wurde Heiligabend auf Gröde bereits am 4. Advent mit einem Gottesdienst vorgefeiert.
Halligpastor Krämer, der mit Ehefrau und drei Kindern seit 17 Jahren auf Langeneß lebt, ist das Reisen an Heiligabend gewohnt. Seinen ersten Heiligabend-Einsatz hat er auf der Nachbarinsel Oland um 14 Uhr. Von der Tide ist dieser Besuch unabhängig, weil es eine 4,5 Kilometer lange Schienenverbindung gibt. Dann fährt Krämer mit der 9,5-PS-Lore zu seiner Inselgemeinde.
Auf die Schienen ist auch bei Frost Verlass
Allerdings muss er bei den frostigen Temperaturen wahrscheinlich vorher noch die Räder wechseln, denn Gummiräder geben auf den Schienen mehr Halt als die üblichen Stahlräder. Anders als auf dem Festland ist auf die Inselbahn auch bei Frost Verlass: Um 17.30 Uhr soll Krämer bereits wieder auf Langeneß predigen. Auch am 2. Feiertag und Silvester fährt der Pastor wieder auf Schienen nach Oland. Am Neujahrstag kann er dann mit seiner Familie ausruhen.
Diese Sorgen hat Pastor Martin Witte (54) auf der benachbarten Hallig Hooge nicht. Anders als Krämer muss er keine weiteren Halligen versorgen. Seit 1. Juni hat er die Pfarrstelle auf der Hallig mit ihren rund 100 evangelischen Gemeindemitgliedern. Allerdings wächst seine Gemeinde in der Urlaubszeit um ein Vielfaches an.
Hallig-Kirchen stehen auf Hügeln
Sein erster Weihnachtseinsatz als Halligpastor beginnt Heiligabend um 17 Uhr. Dann feiert er eine Christvesper mit Chor und Gesang. "Um 22 Uhr wird eine Christnacht als literarische Stunde veranstaltet", sagt Witte. Dabei wird auch das Geigentrio der Insel auftreten.
Die sieben bis zu 1.000 Hektar großen Halligen sind kleine Inseln im nordfriesischen Wattenmeer an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Sie sind teilweise Reste des Festlands oder von Inseln, die nach Sturmfluten übrigblieben. Anders als Föhr, Amrum oder Sylt sind sie nicht durch Deiche geschützt und werden bei Sturmfluten überschwemmt. Wohnhäuser und Kirchen befinden sich auf meterhohen künstlich aufgeschütteten Hügeln, den Warften.