Jubelnde Delegierte, erleichterte Verhandlungsführer: Mit einer unerwarteten Einigung ist der Weltklimagipfel in Cancún in der Nacht zum Samstag zu Ende gegangen. Besonders euphorisch zeigte sich der indische Umweltminister Jairam Ramesh: Er feierte die mexikanische Konferenzpräsidentin Patricia Espinosa als "Göttin". Umweltschützer reagierten eher verhalten: Der UN-Prozess sei zwar gerettet, wichtige Entscheidungen seien aber vertagt worden.
Zwei Wochen lang hatten Minister und Regierungsbeamte um Formulierungen gerungen, Nächte durchverhandelt und um Punkt und Komma gestritten. Dass sie schließlich Eckpunkte eines künftigen Klimavertrages verabschieden würden, galt bis kurz vor dem Ende als ungewiss. Nur Bolivien stemmte sich bis zum Schluss gegen die Vereinbarungen, weil sie nicht ausreichend seien. Die ablehnende Haltung des südamerikanischen Landes wird in den Dokumenten vermerkt werden.
Umjubelte Konferenzpräsidentin
Die mexikanischen Gastgeber hatten sich um eine gute Gesprächsatmosphäre bemüht. Wenn die Staatenvertreter in den Verhandlungspausen aus dem Konferenz-Hotel traten, blickten sie auf Palmen und türkisblaues Meer, in dem sich glitzernd die Strahlen der mexikanischen Dezember-Sonne spiegelten.
Wichtiger für den Erfolg indes war das Geschick der umjubelten Konferenzpräsidentin Espinosa. In der Schlussphase legte die mexikanische Außenministerin zwei Texte vor, die in ihrer Kombination grundlegende Konflikte zwischen den Staaten überwinden und die Grundlage für einen künftigen umfassenden Klimavertrag bilden sollen.
Im Grundsatz einigten sich die Staaten darauf, das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll fortzuführen. Die Industrienationen wollen ihren CO2-Ausstoß bis 2020 um 25 bis 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Allerdings sind neue Emissionsziele für einzelne Länder noch nicht festgeschrieben. Gegen eine Kyoto-Verlängerung hatte sich vor allem Japan gesträubt, weil die USA und China keine vergleichbaren Verpflichtungen haben. Die USA sind dem Protokoll nicht beigetreten.
Zusagen von Industrieländern
Eckpunkte eines Klimavertrages, der auch die Vereinigten Staaten und China in die Pflicht nimmt, sieht ein weiterer Beschluss vor. Die rechtliche Verbindlichkeit ist indes noch offen. Der Text legt das Ziel fest, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Es soll nach wissenschaftlicher Prüfung außerdem erwogen werden, nur 1,5 Grad als Maximum zuzulassen. Das wird vor allem von den kleinen Inselstaaten gefordert.
Die bislang vorliegenden Zusagen von Industrie- und Schwellenländern zur Treibhausgas-Begrenzung werden in beiden Papier "zur Kenntnis genommen" werden. Damit wären auch Klimaschutz-Maßnahmen der USA und der Schwellenländer in einem offiziell verabschiedeten UN-Dokument enthalten.
Vorgeschlagen wird auch die Einrichtung eines Klima-Fonds unter dem Dach der Vereinten Nationen, um armen Staaten bei der Anpassung an den Klimawandel zu helfen. Der Fonds soll in der Startphase von der Weltbank verwaltet werden. Vorgesehen sind auch Regeln für den Waldschutz. Die Finanzierung ist aber offen.
Der Klimagipfel hat erneut gezeigt, wie schwierig die Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen sind, wo Entscheidungen stets einstimmig gefällt werden. Mehr als 194 Staaten ringen um eine gemeinsame Position: Untergehende Inseln, afrikanische Elendsstaaten, aufstrebende Schwellenländer und stagnierende Industrienationen suchen nach einem gemeinsamen Nenner.
"Erfolg des Multilateralismus"
Und das in technisch hochkomplexen Bereichen wie CO2-Minderung, Emissionskontrolle, Waldschutz, Finanzierung von Klimahilfen und Technologietransfer. "Wahnsinnig kompliziert" seien die Verhandlungen, wie Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) in Cancún einräumt. In der Klimapolitik müsse die Staatengemeinschaft ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen.
Dass der UN-Prozess nicht tot ist, hat der Abschluss des 16. Weltklimagipfels gezeigt. "Das ist ein Erfolg des Multilateralismus", rief Espinosa den Delegierten zu. Ob der "Geist von Cancún" Bestand hat, wird sich im kommenden Jahr im südafrikanischen Durban zeigen. Dann soll auf dem nächsten Gipfel der neue internationale Klimavertrag endgültig Gestalt annehmen.
epd/dpa