FDP-Spion saß in Westerwelles Vorzimmer

FDP-Spion saß in Westerwelles Vorzimmer
Das Geheimnis um den Informanten der US-Botschaft während der Koalitionsverhandlungen von Union und FDP im vergangenen Jahr ist gelüftet: Es war der bisherige Büroleiter von FDP-Chef Guido Westerwelle. Der 41-jährige Helmut Metzner gab zu, im vergangenen Herbst Informationen zum Verlauf der Gespräche weitergegeben zu haben.
02.12.2010
Von Christoph Sator und Frank Rafalski

Der Fall war durch die Enthüllungen der Internetplattform Wikileaks bekannt worden. Metzner wurde am Donnerstag von seinem Job als Büroleiter entbunden, erhält aber nun offenbar eine andere Funktion im Thomas-Dehler-Haus. Der gebürtige Bamberger war während der Koalitionsverhandlungen im vergangenen Herbst in der FDP-Zentrale für internationale Kontakte zuständig.

Den Wikileaks-Dokumenten zufolge ließ sich der US-Botschafter in Deutschland, Philip D. Murphy, im Herbst 2009 von einem "jungen, aufstrebenden Parteigänger" der FDP mit vertraulichen Informationen versorgen. Der Kreis der FDP-Mitarbeiter, die dafür in Frage kamen, war recht klein. Bei der internen Befragung offenbarte sich Metzner nun. Während der Koalitionsgespräche hatte er Protokoll geführt.

Floss Geld für die Informationen?

Bundesaußenminister Westerwelle äußerte sich zu dem Fall zunächst nicht. Nach Veröffentlichung der ersten Wikileaks-Dokumente hatte er noch bezweifelt, dass es tatsächlich einen FDP-Informanten gab. Der "Maulwurf" kam nun jedoch aus seiner engsten Umgebung. Vergangenes Jahr war Metzner noch Leiter der Abteilung "Strategie und Kampagne" im Thomas-Dehler-Haus, zuständig für internationale Kontakte zuständig. Nach deren erfolgreichem Abschluss machte ihn Westerwelle dann zum Büroleiter.

FDP-Sprecher Wulf Oehme betonte, dass "keine vertraulichen Dokumente" übergeben worden seien. "Für ein rechtlich angreifbares Verhalten gibt es keine Anhaltspunkte." Metzner sei von der US-Botschaft angesprochen worden. Er habe "in eigener Verantwortung" gehandelt. Ob der 41-Jährige für seine Informationen bezahlt wurde, ist bisher unklar. Die FDP verwies darauf, dass auch "zahlreiche Mitarbeiter anderer Parteien" mit der US-Botschaft in Gesprächskontakt stünden.

Oft mit schwarz-gelber Fliege unterwegs

In der FDP-Zentrale gehört Helmut Metzner zu den Leuten, die Wert auf Humor legen. Fast immer war der Büroleiter von Parteichef Westerwelle für einen Witz zu haben, und gern trug er Fliege in schwarz-gelb. Als Lebensmotto gab der 41-Jährige an: "Wer gackert, muss auch Eier legen." Jetzt hat Metzner sich selbst, seinem Vorsitzenden und seiner Partei ein eben solches ins Nest gelegt - und zwar ein ziemlich großes. Metzner war schon seit Jahren an der Seite des FDP-Vorsitzenden unterwegs, immer freundlich und stets umtriebig. Der Franke war für die internationalen Beziehungen zuständig, auch für die FDP-Kontakte zu den wichtigsten Botschaften in Berlin.

Aus dieser Zeit stammen auch die Kontakte zu Botschafter Murphy, der im Herbst 2009 noch ganz neu im Amt war. In seinen Kabelberichten ans Außenministerium in Washington beschrieb der Diplomat seinen Auskunftgeber als junges Parteimitglied, einen Namen nannte er nicht. Den Wikileaks-Dokumenten zufolge aber brachte der Mann zu seinen Treffs mit Murphy noch während der Koalitionsverhandlungen haufenweise interne Papiere mit. Über den Wert der Informationen gibt es unterschiedliche Ansichten.

Metzner offenbarte sich unter Druck selbst

Seit der Veröffentlichung im "Spiegel" am Montag suchte die FDP-Spitze jedoch mit Hochdruck nach dem Kollegen, der den Amerikanern angebliche Geheiminformationen steckte. Allzu schwierig war es nicht, der "gut platzierten Quelle" (O-Ton Murphy) auf die Spur zu kommen - zu klein war der Kreis der Verdächtigen. Klar war, dass es bis zur Enttarnung nur eine Frage von Tagen war. Das merkte auch Metzner - und offenbarte sich schließlich selbst.

Zu Recht hatte man also im Führungskreis der Partei die Idee verworfen, von allen leitenden Mitarbeitern eine eidesstattliche Erklärung zu verlangen. Das Klima der Verdächtigungen hätte die Stimmung im Thomas-Dehler-Haus zu sehr verdorben. Anhand der Liste der Mitarbeiter, die bei den Koalitionsverhandlungen in der NRW-Landesvertretung Protokoll führten, konnte sich Generalsekretär Christian Lindner auch so rasch einen Überblick verschaffen.

Was Metzner an die Amerikaner weiterreichte und bislang veröffentlicht ist, liest sich aus heutiger Sicht einigermaßen harmlos. Beispielsweise die Tatsache, dass es zwischen Westerwelle und dem heutigem CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble zum Streit über die Zukunft der amerikanischen Atomwaffen in Deutschland kam. Das stand auch damals schon in der Zeitung. Auch die längst bekannte Liste mit den 27 Namen der Teilnehmer der Koalitionsverhandlungen gab Metzner weiter.

Fraktionskreise verlangen Murphys Ablösung

Trotzdem sind auch bei der FDP viele über die Belieferung der Amerikaner mit schwarz-gelben Interna empört. Und die Verärgerung ist groß. Aus der FDP-Bundestagsfraktion gibt es jetzt auch schon Stimmen, die eine Abberufung Murphys verlangen. Wie sonst könne es noch eine problemlose Zusammenarbeit zwischen Botschaft und Auswärtigem Amt geben? Auch Westerwelle ist klar, dass viel Vertrauen verloren gegangen ist.

Für Metzner, der im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) sitzt, ist die Parteikarriere auf jeden Fall erst einmal vorbei. Die FDP betonte zwar: "Für ein rechtlich angreifbares Verhalten gibt es keine Anhaltspunkte." Dennoch wurde der freundliche Fliegenträger am Donnerstag von seinen Aufgaben als Büroleiter entbunden. Künftig soll sich Metzner in der Parteizentrale "anderen Aufgaben" widmen, wie es hieß. Sein Selbstprofil auf der FDP-Seite wurde bereits gesperrt - auf der Seite herrscht gähnende Leere. Metzners private Internetseite www.muntermachermetzner.de gab es aber am Donnerstagabend noch.

dpa