Sehr geehrter Papst Benedikt,
am 7. August 2004 sah ich im BBC-World-Fersehen eine junge Afrikanerin verzweifelt weinen. Sie hatte gerade erfahren, dass sie sich bei ihrem AIDS-kranken Mann infiziert hatte. Der Reporter fragt erschrocken, warum sie denn kein Kondom benutzt habe? "Ich habe solche Angst vor dem ewigen Höllenfeuer, vor dem unser Pfarrer uns gewarnt hat."
Der BBC-Reporter fragte daraufhin den afrikanischen Pfarrer, ob es stimme, dass er die Ehefrauen HIV-infizierter Männer vor der Hölle gewarnt habe, wenn sie ein Kondom benutzen. Der Pfarrer sagte: "Ja, auch bei Ansteckung und Todesgefahr sind Kondome nicht erlaubt. Ehefrauen, die sich bei ihrem AIDS-kranken Ehemann angesteckt haben, das sind die Märtyrerinnen für den Glauben unseres Jahrtausends."
Ohne Erektion kein Segen
Angesichts dieser Tragödie klage ich Sie an, Papst Benedikt, wegen tödlicher Irreführung der Menschheit. Ich klage Sie an, die Schuld für Krankheit und Tod vieler Menschen zu tragen, weil sie unsinnigerweise unerbittlich behaupten, dass Kondome in das ewige Höllenfeuer führen. Ich verlange von Ihnen, allen betroffenen Frauen weltweit die medizinische Versorgung zu finanzieren und ihnen und ihren Familien Schadenersatz zu leisten.
Die Pädophilieskandale haben Ihre Kirche vor allem in den USA viel Geld gekostet. Im "Wir sind Papst"-Deutschland sind die Zahlungen allerdings kläglich. Ich sehe nicht ein, wieso Frauen, die sich mit HIV infizieren und daran sterben, nicht ebenfalls finanzielle Folgen für Sie haben sollten.
Ein italienischer Bischof hat 2008 einem Brautpaar die kirchliche Trauung verweigert, weil der Bräutigam nach einem Autounfall querschnittsgelähmt und auf Dauer impotent ist. Es geht dabei nicht darum, dass der Mann nicht mehr fähig ist zu zeugen, sondern dass er beischlafunfähig ist. Das heißt, dass der Mann nicht in der Lage ist, seinen Samen auf die von Ihrer Kirche vorgeschriebene Art und Weise auf den Weg zu bringen, weil er keine Erektion mehr bekommen kann.
Katholische Priester verstehen zu wenig griechisch
Querschnittsgelähmte und ihre Partnerinnen werden von Ihnen lebenslänglich (Canon 1084 CIC 1983) zwangs-entsexualisiert, da jegliche Intimität nur in der Ehe erlaubt ist, andernfalls Todsünde bedeutet. Es ist unerträglich, dass Sie in Ihrem Kirchenrecht bestimmen, ab welchem Grad der Lähmung eine Frau einen Mann nicht mehr lieben darf, ab welchem Grad der Verletzung ein Mann sein Leben einsam zu Ende zu leben gezwungen wird.
Sie, Papst Benedikt, in ihrem Wahn von einem frauenlosen Männer-Biotop nehmen jede Gelegenheit wahr, die Ehe, wenn nicht zu verunmöglichen, dann wenigstens zu asketisieren, zu eunuchisieren, zu vermönchen und zu zölibatisieren.
Nach der Hochzeit des Mönches Martin Luther mit der Nonne Katharina von Bora wurde 1592 von Ihrem Vorgänger, Papst Clemens VIII., der griechische Urtext des Apostels Paulus in der lateinischen Ausgabe verfälscht. Paulus sagte im 1. Korintherbrief 9, 5: "Habe ich nicht das Recht, eine Ehefrau auf den Reisen mitzunehmen wie die übrigen Apostel und Petrus". Aus den Ehefrauen der Apostel werden dienende Schwestern, also Haushälterinnen. Und Ihr Vorgänger, Papst Johannes Paul II., erhob die Apostel sogar zu "Predigern und Lehrern des Zölibats". Da die meisten katholischen Priester zu wenig Griechisch verstehen, stoßen sie nie auf ihr vom Apostel Paulus verbrieftes Recht zu heiraten.
PID-Diskussion wegen päpstlich-marianischer Biologie
Paul Zacchias, Leibarzt des Papstes Innozenz X., vertrat 1661 die Auffassung, die vernunftbegabte Seele werde im Augenblick der Empfängnis eingegossen. Wäre es anders, würde das Fest "Mariä Empfängnis" eine vernunft- und seelenlose Zelle feiern. Das sei jedoch der allerseligsten Jungfrau "unangemessen". Diesen Gedanken griff 1854 Pius IX. auf, als er die "unbefleckte Empfängnis Mariens" zum Dogma erhob. Dabei ging es um den Tag, als Maria von ihrer Mutter Anna empfangen wurde. Und nicht darum, dass Maria Jesus vom Heiligen Geist empfangen hat, wie 99 Prozent der Deutschen glauben.
"Unbefleckt" heißt in dem Zusammenhang: "Unbefleckt von Erbsünde". Pius IX. änderte wegen der Jungfrau Maria 1869 das Kirchenrecht. Bis 1869 unterschied das Kirchenrecht in Anlehnung an Aristoteles zwischen dem beseelten und unbeseelten Fötus. Der männliche Fötus erhält die Seele nach 40 Tagen, der weibliche Fötus nach 80 Tagen, vorher gilt er als "Körperteil der Mutter" (pars viscerum). Erst die Abtreibung eines beseelten Fötus war von Exkommunikation bedroht. Da man das Geschlecht noch nicht erkennen konnte, galt eine Frist von 80 Tagen.
Weil einem päpstlichen Leibarzt vor 350 Jahren ein vernunftloses Stadium Marias im Mutterleib ihrer Mutter Anna unvorstellbar erschien, haben wir heute die PID-Diskussion und gilt ein sekundenalter Embryo als Person, als Individuum, d.h. Unteilbares, obgleich danach noch Zellteilung stattfinden kann. Aber von dieser päpstlich-marianischen Biologie weiß Frau Merkel vermutlich gar nichts. Und so wird unsere politische Diskussion um die Gentechnik durch pseudoreligiöse Ideologien der Päpste behindert.
Uta Ranke-Heinemann war die erste Frau der Welt, die eine Professur für katholische Theologie erhielt (1970), und die erste Frau der Welt, die sie wieder verlor (1987), weil sie an der Jungfrauengeburt zweifelte. Ihre bekanntesten Bücher sind "Eunuchen für das Himmelreich" (aktuellste Auflage 2008) und "Nein und Amen: Mein Abschied vom traditionellen Christentum" (aktuellste Auflage 2009). In letzterem setzte sie ihrem Lehrer Rudolf Bultmann ein dankbares Denkmal.