Er bleibe zuversichtlich, dass sich in absehbarer Zeit die Situation konfessionsverbindender Ehepaare hinsichtlich gemeinsamer Eucharistiefeier bzw. Abendmahl verbessern werde, sagte der rheinische Präses in einem epd-Interview. Darin bezeichnete der 63-jährige Theologe als bleibende Herausforderungen für die evangelische Kirche den Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Herr Präses, hinter der EKD liegt eine Phase des Übergangs. Worin sehen Sie die Herausforderungen für die evangelische Kirche in den nächsten Jahren?
Präses Schneider: Die Grundherausforderung ist eigentlich in den letzten Jahren gleich geblieben: Wir haben als evangelische Kirche den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen in einer Gesellschaft, die zunehmend säkularer wird. Gewachsen sind dabei die Herausforderungen an uns, den interreligiösen Dialog mit dem Islam in unserem Land zu führen und mit Leben zu füllen. Eine bleibende Herausforderung für unsere Kirche ist der Einsatz für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Konkrete Aufgabenfelder sehe ich zurzeit bei den Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Bildungsgerechtigkeit, der Beurteilung der Atomkraft und bei der Auftragsdefinition für die Bundeswehr. Da haben wir als Kirche auch ein politisches Wächteramt.
Eines empfinde ich zurzeit als große Herausforderung und Ermutigung zugleich: Die Lutherdekade hat begonnen und an Fahrt gewonnen, an deren Ende das Reformationsjubiläum 2017 steht. Diese Jahre sind für uns eine große Chance. Wir freuen uns sehr über das Interesse und die Unterstützung der Politik, und auch über das Interesse unserer römisch-katholischen Schwesterkirche.
"Vertrauensvoll und konstruktiv"
Wie geht es im Verhältnis von Protestanten und Katholiken weiter?
Präses Schneider: Ich bin überzeugt, dass es gut weitergeht. Meine Begegnungen mit Erzbischof Zollitsch und anderen katholischen Bischöfen in den vergangenen Monaten, zum Beispiel auf dem ökumenischen Kirchentag, waren sehr vertrauensvoll und konstruktiv. Natürlich kommen wir nicht umhin festzustellen, dass in einigen zentralen Fragen Dissens besteht, etwa grundsätzlich in der Frage des kirchlichen Amtes und konkret zum Beispiel in einigen Fragen der Sexualethik.
Nach einigen Jahrzehnten großer ökumenischer Fortschritte nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind wir nun bei Grunddifferenzen angelangt, die nicht leicht und nicht schnell zu überwinden sind. Aber ich bleibe zuversichtlich und hoffe sehr, dass in absehbarer Zeit sich die Situation konfessionsverbindender Ehepaare hinsichtlich gemeinsamer Eucharistie bzw. Abendmahl verbessern wird. Wichtig ist mir aber auch zu betonen, dass es einen selbstverständlichen ökumenischen Alltag an der Basis gibt, also zwischen den Kirchengemeinden oder in den Religionsfachkonferenzen. Nach unserem Kirchenverständnis ist das ebenso wichtig wie das Verständnis zwischen kirchenleitenden Persönlichkeiten.
Wird es ein neues evangelisch-katholisches Sozialwort geben, wie Sie und Erzbischof Zollitsch in München angekündigt hatten?
Präses Schneider: Wir sind in der Phase der Vorüberlegungen und werden zu einer gemeinsamen öffentlichen Stellungnahme finden.
Auseinanderklaffende soziale Schere
Zwischen Bürgern und Politikern wird die Kluft größer, wie verschiedene Debatten der jüngsten Zeit zeigen. Das Prinzip der repräsentativen Demokratie wird auf einmal in Zweifel gezogen und der Ruf nach direkter Demokratie laut. Sorgen Sie sich um den Zusammenhalt der Gesellschaft?
Präses Schneider: Das sind eigentlich zwei verschiedene Problemanzeigen, die Sie ansprechen: Zum einen geht es um die Kluft zwischen Bürgern und Politikern, zum anderen den durch eine soziale Schieflage gefährdeten Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Ich halte nichts von einer generellen Klage über "die Politiker". Ich kenne und erlebe viele Menschen in der Politik in allen demokratischen Parteien, die ihr Amt verantwortungsbewusst und zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger ausüben. Und ich bin mir absolut nicht sicher, dass mehr Volksabstimmungen zu einem größeren Zusammenhalt in unserer Gesellschaft führen werden. Aber ich bin durchaus für eine aktivere Einbeziehung der Bevölkerung in die vorhandenen Beteiligungsverfahren.
Zum Zweiten sehe und erlebe ich mit Sorge, dass die Einkommensschere in unserem Land immer weiter auseinandergeht, dass unsere medizinische Versorgung sich immer weiter zu einer Zwei- bis Drei-Klassen-Medizin entwickelt, dass wir in unserem Land große Probleme mit der konkreten Umsetzung von Bildungsgerechtigkeit haben. Um Gottes und um der Menschen willen hoffe und bete ich, dass Solidarität und soziale Verantwortung der Menschen für einander in unserer Gesellschaft nicht zu Worthülsen werden.
Ihre Lebensplanung sah anderes vor als den EKD-Ratsvorsitz, der nun auf Sie zukommt. Verraten Sie auch, auf was Sie im Fall der Wahl verzichten müssen?
Präses Schneider: In der Tat sah meine Lebensplanung anders aus. Sollte ich gewählt werden, hätte ich sicherlich noch etwas weniger terminfreie Zeit als in den vergangenen Jahren. Ich müsste dann sicherlich auch auf viele mir eigentlich wichtige Termine in meiner rheinischen Heimatkirche verzichten.