Koalition will ausländische Abschlüsse anerkennen

Koalition will ausländische Abschlüsse anerkennen
Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels in Deutschland will die schwarz-gelbe Koalition bis zu einer halben Million qualifizierten Zuwanderern den Weg auf den Arbeitsmarkt ebnen. Die Koalition werde einen Rechtsanspruch einführen, nach dem qualifizierte Abschlüsse innerhalb von sechs Monaten offiziell anerkannt werden müssen, sagte Serkan Tören, integrationspolitischer Sprecher der FDP im Bundestag. Migrantenverbände forderten unterdessen eine "radikale Reform des Erziehungs- und Schulsystems" in Deutschland. Zudem kritisierten sie die Forderungen nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen.

Für eine gezielte Zuwanderung sprach sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aus. "Die ungezielte muss vermieden werden", sagte er dem Online-Magazin "stern.de." Das Punktesystem Kanadas zur gezielten Anwerbung von ausländischen Fachkräften lehnte er ab. "Stellen Sie sich vor, die deutsche Kultusministerkonferenz hätte zu entscheiden, wie viele Punkte der Ingenieurabschluss in Kairo im Verhältnis zu Tripolis bekommt. Diese Bürokratie möchte ich nicht erleben."

Der FDP-Politiker Tören sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagsausgabe), der Rechtsanspruch auf die Anerkennung von Abschlüssen werde Teil des geplanten Anerkennungsgesetzes, das im Frühjahr 2011 in Kraft treten solle. Schon im vergangenen Dezember hatte das Kabinett Eckpunkte für den Gesetzentwurf beschlossen, der ursprünglich noch vor der Sommerpause vorgelegt werden sollte.
Derzeit kümmern sich 400 verschiedene Stellen in Deutschland um die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Mit dem neuen Gesetz werde nun in jeder Kommune eine zentrale Anlaufstelle aufgebaut, die für die Anerkennungsverfahren zuständig ist, kündigte Tören an.

Es gehe um bis zu 500.000 Menschen, die derzeit dem Arbeitsmarkt entzogen würden. Betroffen sind nach Angaben Törens besonders Berufe der Pflegebranche, Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler. Eine Absenkung deutscher Bildungsstandards sei nicht zu befürchten.

Wer hier lebt, soll besser gefördert werden

Auch die Innenminister der unionsgeführten Bundesländer sprachen sich dafür aus, dass ausländische Berufs- und Studienabschlüsse von Menschen, die bereits in Deutschland lebten, leichter anerkannt werden. "Wir wollen hier keine Studienabschlüsse light haben, aber es muss Möglichkeiten geben, dass Abschlüsse anerkannt werden", sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) am Freitag in Hannover zum Abschluss einer Konferenz der Innenminister von CDU und CSU.

Die Unions-Innenminister plädierten zudem dafür, Einheimische und in Deutschland lebende Zuwanderer besser zu qualifizieren, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Zugleich müsse die Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte nach Deutschland erleichtert werden. Dabei seien der Bedarf der Wirtschaft und die Aussicht auf eine längerfristige Beschäftigung entscheidend. Die Religionszugehörigkeit spiele keine Rolle, sagte Schünemann mit Blick auf die umstrittenen Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer zur Zuwanderung aus der Türkei und den arabischen Staaten.

Migrantenverbände gegen Deutschpflicht auf Schulhöfen

Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, warb für mehr Zuwanderung qualifizierter Arbeitnehmer. "Wir müssen bereit sein zu akzeptieren, dass wir systematisch Zuwanderung nach Deutschland haben werden und brauchen", sagte er der "Frankfurter Rundschau" (Freitagsausgabe). "Ein Einwanderungsland kann Bedingungen stellen - an das Sprachvermögen und die Ausbildung. Es geht aber in erster Linie um einen Mentalitätswandel."

Derweil verlangten Migrantenverbände in einer gemeinsamen Erklärung eine "radikale Reform des Erziehungs- und Schulsystems" in Deutschland. Im Einwanderungsland Deutschland müssten Mehrsprachigkeitskompetenz und der Wert sprachlicher und kultureller Vielfalt anerkannt und gefördert werden.

Besonders kritisieren die Verbände eine "immer mehr um sich greifende Deutschpflicht auf den Schulhöfen". Das führe zur Stigmatisierung der Migrantensprachen. Unterzeichner der Erklärung sind unter anderem die Türkische Gemeinde in Deutschland, der Bundesverband Deutsch-Arabischer Vereine und die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände.

 

epd